Solingen Erleichterung nach Wulffs Rücktritt

Solingen · Niemand war überrascht vom Rücktritt des Bundespräsidenten. Bei der Suche nach einem Nachfolger wünschen sich die meisten Befragten eine Entscheidung über die Parteigrenzen hinweg und eine Persönlichkeit, die nicht an den eigenen Vorteil denkt.

Politiker, selbst Staatsoberhäupter, sind auch nur Menschen. "Deshalb", sagt Prälat Heinz-Manfred Jansen, "sind sie fehlbar". Entscheidend sei, dass man seine Fehler erkennt, eingesteht und das Fehlverhalten nach Möglichkeit abgestellt. Das Verhalten dürfe nicht verharmlost oder vertuscht werden. Auf der anderen Seite sieht der katholische Pastor von St. Joseph in dem Fall Wulff aber auch eine "gewisse Hetzjagd" auf Menschen, die an herausragender Stelle stehen.

Jedem könne man doch Fehler nachweisen. Manches kommt Jansens dabei auch pharisäerhaft vor: Die Schuld wird gerne bei anderen gesucht, das eigene Versagen aber übersehen. Jansen erinnert an eine Bibelstelle, in der Jesus sagt: "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." Wulffs Schritt, zurückzutreten, ist für Prälat Jansen nun für alle, auch für das Land, das Beste.

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Krebs wäre es nach dem Rücktritt von Christian Wulff jetzt das Beste, "über alle Parteigrenzen hinweg einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu finden". Eine andere Möglichkeit gebe es seiner Ansicht nach nicht, "die Situation ist jetzt schlimm", sagte Krebs gestern. Für ihn war der Rücktritt des Bundespräsidenten gestern keine Überraschung mehr, nachdem am Tag zuvor die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung der Immunität des ersten Mannes im Staat beantragt hatte. "Die Entscheidung von Christian Wulff war da nur konsequent", erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende.

Als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt über alle Parteigrenzen hinweg sieht Bernd Krebs übrigens Joachim Gauck, der kürzlich mit der "Schärfsten Klinge" in Solingen ausgezeichnet worden war und bei der Wahl von Christian Wulff Gegenkandidat des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen war: "Das halte ich nicht für ausgeschlossen", betonte Krebs.

Auch Josef Neumann, Landtagsabgeordneter der SPD für Solingen und Wuppertal, kann sich Gauck als nächsten Bundespräsidenten gut vorstellen. "Gerade jetzt brauchen wir ein Staatsoberhaupt, das über die Parteigrenzen hinaus anerkannt wird", sagte Neumann gestern. "Als Joachim Gauck im vergangenen Jahr der Preis der schärfsten Klinge verliehen wurde, war mir schon klar, dass er der bessere Bundespräsident wäre", sagte Josef Neumann über Gauck, der bereits 2010 als Kandidat von SPD und Grünen gegen Christian Wulff angetreten war.

Ob er Mitglied der Bundesversammlung sein und den kommenden Bundespräsidenten mitwählen wird, weiß der Parlamentarier noch nicht. In der SPD-Landtagsfraktion würden die Delegierten ausgelost, sagte Neumann. Darüber hinaus gelte es eine Frauenquote zu erfüllen, so Neumann. Den gestrigen Rücktritt Wulffs hält Josef Neumann für überfällig. "Es war der letzte Zeitpunkt für einen Rücktritt, ohne das Amt des Bundespräsidenten nachhaltig zu beschädigen", sagte Neumann. Nachdem die Staatsanwaltschaft angekündigt habe, Ermittlungen gegen Wulff einzuleiten und dementsprechend die Aufhebung der Immunität droht, sei endgültig klar gewesen, dass Wulff nicht mehr zu halten gewesen sei, so Neumann.

"Wie sicherlich viele Menschen auch, bin ich erleichtert über den Schritt, den Christian Wulff heute vollzogen hat. Er hat damit den Weg freigemacht für eine neue Person im Amt des Bundespräsidenten." So kommentierte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Schulministerium des Landes NRW, Sylvia Löhrmann, den Rücktritt des Bundespräsidenten. Die Solingerin hofft, dass sich die Regierungskoalition in Berlin, SPD und Grüne bald auf einen überparteilichen Kandidaten oder eine Kandidatin verständigen.

Als "richtigen Schritt" bezeichnete der für Solingen und Remscheid zuständige Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) den Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff (CDU). "Ich glaube nicht, dass er schuldhaft gehandelt hat, und gehe davon aus, dass auch die Staatsanwaltschaft zu diesem Ergebnis kommt", sagte Hardt. Mit der Aufnahme des Ermittlungsverfahrens aber habe das Thema "eine andere Qualität bekommen". Wulff und die Bürger könnten nicht mehr unbefangen aufeinander zugehen. Damit sei der Bundespräsident in seinen "Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt". Hardt begrüßt die Ankündigung von Kanzlerin Angelika Merkel "mit allen demokratischen Parteien im Bundestag Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten zu führen".

"Wer an der Spitze unseres Staates steht und das Land repräsentiert, der sollte mit Geschenkgeschichten nichts zu tun haben", findet Giselheid Herder-Scholz. Die Geschäftsführerin von Windmühlenmesser findet auch die "schwammigen Stellungnahmen" von Wulff in der jüngsten Vergangenheit nicht in Ordnung. "Das ist kein integres Verhalten", sagte Herder-Scholz. Von daher sei der Rücktritt von Wulff richtig. Eine "integre, ehrliche Persönlichkeit, die nicht an den eigenen Vorteil denkt", würde sie sich die Unternehmerin als Bundespräsidenten wünschen.

(RP)
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