Solingen Einzelhandel klagt über Beratungsklau

Solingen · Fachgeschäfte punkten mit gutem Service. Diesen beanspruchen manche Verbraucher, kaufen dann aber im Internet. Ein Problem.

Noch versucht Angela Berger die Sache mit Humor zu nehmen, dennoch ist die Lage ernst. Denn seit knapp vier Jahren arbeiten sie und ihre Kollegen vom Foto-Fachgeschäft "Hobby-Foto" an der Hauptstraße regelmäßig umsonst. Mitunter würden Kunden eine teilweise dreiviertelstündige Beratung in Anspruch nehmen, um sich im Anschluss wortkarg zu verabschieden und den vermeintlich günstigeren Kauf im Internet vorzuziehen. "Es kommt schon sehr häufig vor, und das ist alles andere als schön. Wir sind kurz davor, in solchen Fällen Beratungshonorar zu berechnen", sagt Angela Berger, die seit rund 20 Jahren in dem Foto-Fachgeschäft in Solingen-Mitte beschäftigt ist und somit Zeiten miterlebt hat, in denen diese Problematik noch nicht bestand. Ein Erlebnis ist der Einzelhandelskauffrau besonders im Gedächtnis geblieben. "Ein Mann betrat unser Geschäft mit Prospekten von zwei Discountern und wollte ernsthaft wissen, welchen von den beiden dort angebotenen Foto-Apparaten er sich denn nun holen solle", erinnert sich Angela Berger.

Ruth Deus, Geschäftsstellenleiterin des Rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverbandes, ist diese Vorgehensweise mancher Verbraucher nicht neu: "Das Problem gibt es in jeder Stadt. Auch Solingen ist davon nicht verschont geblieben." Dennoch appelliert sie an die Einzelhändler, nicht die weiße Flagge zu hissen, sondern sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. "Ich denke, dass eine gute Beratung den Kunden durchaus dazu bewegen kann, den Kauf im Fachgeschäft dem Online-Shop vorzuziehen - der übrigens nicht zwangläufig günstiger sein muss", erklärt Ruth Deus. Außerdem könnten Einzelhändler durch Zusatzangebote wie freier Lieferung, Annahme von Altgeräten oder dem Anschluss von neuer Technik Kundenbindung erzeugen. "Negativ sind natürlich die Park-Gebühren, die anfallen, wenn man in die Stadt fährt", so Ruth Deus.

Für Thomas Hempel, Inhaber des Musikfachhandels "City Musik Solingen", ist der weit verbreitete "Beratungsdiebstahl" ein existenzgefährdender Trend. In manchen Fällen würden die Kunden noch im Geschäft das Smartphone zücken, um einen Preisvergleich im Word-Wide-Web zu machen. Dass dort kein großer Unterschied mehr auszumachen ist, ist eine Konsequenz dieses Trends.

"Wir sind gezwungen, die Preise, die im Internet zu finden sind, mitzugehen", erklärt Hempel. Dennoch gebe es Stammkunden, die auch aufgrund der persönlichen Betreuung lieber in das Fachgeschäft gingen, anstatt im Internet zu kaufen. Von der Politik fühlt sich Thomas Hempel alleine gelassen. "Das Thema wird überhaupt nicht ernst genommen. Man muss sich aber nur mal die vielen Leerstände anschauen. Das Kind muss wohl erst in den Brunnen fallen, bis etwas passiert, aber dann ist es zu spät," sagt Hempel. Laut des Geschäftsinhabers von "City Musik Solingen" seien die bitteren Konsequenzen des Trends, dass es bald keinen Einzelhandel mehr gäbe, sondern nur noch Ketten.

(RP)
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