Solingen Eine Rolltreppe führt ins Nichts

Solingen · In der Turmpassage deutet im Moment wenig darauf hin, dass dort früher das Leben pulsierte mit Geschäften, Gaststätten und Restaurants. Die Passage wurde völlig entkernt und der Blick ist frei auf die Baustelle des neuen Einkaufszentrums.

Vom Schlaraffenland ist nichts mehr übrig. Wo einst hochwertige Wurstwaren verkauft wurden, ist nicht mal mehr der Boden vorhanden. Nur die Treppe, die vom Busbahnhof am Graf-Wilhelm-Platz in die Tiefe führt, lässt ahnen, wo wir uns befinden: Beim Abstieg in die Turmpassage, die seit der Schließung vom Karstadt von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Für Wolfgang Mergner ist die ehemalige Turmpassage eine Baustelle wie jede andere. Der Schadstoffexperte der Firma Geo-Experts, der schon beim Abbruch des Finanzamtes und des Polizeigebäudes an der Goerdelerstraße verantwortlich mitarbeitete, war dabei, wie die Wände eingerissen und die Böden entfernt wurden. Asbest in den Abdichtungen, Mineralwolle in den abgehängten Decken — Schadststoffe, wie sie oft bei Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren vorkommen.

Wo einst die Menschen flanierten und die Gäste von beliebten Lokalen wie "Löwenbräu" und "Bierbrunnen" zum Abendessen einkehrten, gab es neben vielen Schadstoffen auch eine Brandschutztechnik, über die Wolfgang Mergner heute nur lachen kann. "Die Brandschutzplatten waren in die Hohlraumdecken einfach nur so reingestellt."

Von all dem ist heute nichts mehr zu sehen, denn es geht zügig voran mit dem Neubau des 120 Millionen Euro teuren Einkaufszentrums, das im Bereich der ehemaligen Passage Restaurants anbieten wird. Die Zugänge erfolgen jedoch nicht über die alte Treppe, die nur als Notausgang erhalten bleibt und schon gar nicht über die Rolltreppe, die schon zu Zeiten, als die Passage noch mit Leben erfüllt war, stillstand. "Der spätere Zugang zum Untergeschoss wird über den Eingang des Einkaufszentrums überirdisch erfolgen", weiß Wolfgang Mergner. Auch der ehemalige Passagen-Zugang von der Kirchstraße und dem Graf-Wilhelm-Platz wird nur als Noteingang und -ausgang dienen.

Wie lange die Turmpassage vor der Schließung von Karstadt im August 2008 schon so nach und nach dem Verfall preisgegeben wurde, zeigen die beiden Betonsäulen, die mit unzähligen Schichten von Plakaten beklebt sind. Da wird für ein Musikfestival "gegen US-Atomraketen" geworben und auf ein Eishockeyspiel zwischen dem Solinger Schlittschuhclub und den EC Ratingen hingewiesen, das am 8. Januar 1982 stattgefunden hat.

Am Ende hatte die Turmpassage ohnehin nichts mehr von ihrem quirligen Leben. Der große holländische Blumenmarkt war ausgezogen, die beiden Gaststätten hatten schon viele Jahre zuvor ihre Pforten für immer geschlossen und auch die Buchhandlung "Montanus" zog es vor, Literatur künftig überirdisch an den Leser zu bringen. Leerstände, ein Sparkassen-SB-Center — eins der ersten der Stadt —, ein türkischer Obst- und Gemüseladen und viele Leerstände.

Die längst von der Außenwelt abgeschnitten Passagenzugänge hin zur Sparkassen-Hauptstelle und zum Graf-Wilhelm-Platz waren, wie in einem letzten Aufbäumen, mit großformatigen Fotos geschmückt worden. Nicht lange währte die Pracht, dann waren sie zerstört und hatten sich so dem Gesamtbild der einst so blühenden unterirdischen Einkaufsstraße mit ihren vielen Seitenarmen angepasst.

(RP)
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