Im Blickpunkt Kunstmuseum Eine Einrichtung mit Ausstrahlungskraft

Solingen · Mit der offiziellen Eröffnung des "Zentrums für verfolgte Künste" ist Solingen seit gestern der einzige Ort europaweit, der sich dauerhaft der Geschichte und den Werken von Exil-Künstler widmet. Alle Redner stellten den Bezug zur Gegenwart heraus.

 Oberbürgermeister Tim Kurzbach sprach in seiner Eröffnungsrede von der "verdammten Pflicht, verfemte Künstler nicht in Vergessenheit geraten zu lassen."

Oberbürgermeister Tim Kurzbach sprach in seiner Eröffnungsrede von der "verdammten Pflicht, verfemte Künstler nicht in Vergessenheit geraten zu lassen."

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Große Worte wählte Tim Kurzbach bei der offiziellen Eröffnung des Zentrums für verfolgte Künste. "Es ist ein denkwürdiger Tag für Solingen. Er wird in die Geschichte unserer Stadt und auch ganz Deutschlands eingehen", sagte der Oberbürgermeister vor rund 400 geladenen Gäste im Konzertsaal. Im Kunstmuseum, wo die europaweit einmalige Einrichtung ab sofort beheimatet ist, wäre für eine Veranstaltung dieser Größenordnung nicht ausreichend Platz gewesen. Im Anschluss wurde die Eröffnung in der Ausstellung selbst fortgesetzt.

Bundestagspräsident Norbert Lammert schloss sich in seiner Festrede Solingens Stadtchef an. Es sei mehr als ein denkwürdiger Tag, die Eröffnung sei eine Stellungnahme von nationaler Bedeutung: "Durch die dauerhafte Einrichtung wird der Blick auf einen schwierigen Teil der deutschen Historie sowie auf einen vernachlässigten und in seiner Bedeutung unterschätzten Teil der Kunstgeschichte gerichtet." Bei aller Anerkennung für das Engagement, das Zentrum für verfolgte Künste zu realisieren, "wäre es jedoch besser gewesen, wenn es dieses Zentrum gar nicht hätte geben müssen".

Grundlage sind zwei Sammlungen von Werken verfolgter Maler und Schriftsteller aus einer Abteilung des Solinger Kunstmuseums: die Sammlung Gerhard Schneider mit Grafiken und Gemälden aus den Jahren 1933 bis 1945 sowie die von der Else-Lasker-Schüler-Stiftung zur Verfügung gestellten Literatursammlung von Jürgen Serke mit Erstausgaben, Handschriften, Fotos und Originalmanuskripten verfemter Schriftsteller. Drei Sonderausstellungen dienen bis zum 24. Januar als begleitende Ergänzung. Eine davon kommt aus Israel. "Es ist Ehre und Auftrag zugleich, dass uns Yad Vashem eine Ausstellung zur Verfügung stellt", erklärte Dr. Rolf Jessewitsch, Direktor des Zentrums für verfolgte Künste. Im Rahmen des Festaktes gab Michael Tal, Museumsdirektor in der Holocaust-Gedenkstätte, eine Einführung in die Multimedia-Ausstellung "Spots of Light" über Frauen im Nationalsozialismus.

Sämtliche Redner des Abends stellten die Bedeutung des vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) und der Stadt Solingen getragenen Institution heraus, aber auch den Bezug zur Gegenwart. "Ich frage mich angesichts des geschichtsträchtigen Tages, wie viele Künstler wohl unter den Flüchtlingen sind, weil ihr Leben bedroht wurde", sagte Tim Kurzbach. LVR-Vorsitzender Jürgen Wilhelm sprach von einem "geistigen Geruchssinn": Kunst sei gefährlich. Was los sei, sehe man zuerst an ihr." Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann bezeichnete das neue Zentrum als Orientierungshilfe für nachreifende Generationen, weil sich die deutsche Erinnerungskultur in einer Epochen-Wende befinde: "Sie ist immer wieder neu zu begründen. Jede Generation muss sie wahren und tragen".

 Wie schon bei der "Schärfsten Klinge" hielt Norbert Lammert auch gestern im Konzertsaal die Festrede.

Wie schon bei der "Schärfsten Klinge" hielt Norbert Lammert auch gestern im Konzertsaal die Festrede.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)
 Im Hintergrund hielt sich Hajo Jahn. Die Idee des Vorsitzenden der Else-Lasker-Schüler-Stiftung Wuppertal wurde Realität.

Im Hintergrund hielt sich Hajo Jahn. Die Idee des Vorsitzenden der Else-Lasker-Schüler-Stiftung Wuppertal wurde Realität.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)
 Grundlage des Zentrums sind Sammlungen von Gerhard Schneider (r.) und Joachim Serke (nicht auf Foto).

Grundlage des Zentrums sind Sammlungen von Gerhard Schneider (r.) und Joachim Serke (nicht auf Foto).

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)
 Die feierliche Eröffnung war auf so großes Interesse gestoßen, dass sie aus dem Kunstmuseum in den Konzertsaal verlagert werden musste.

Die feierliche Eröffnung war auf so großes Interesse gestoßen, dass sie aus dem Kunstmuseum in den Konzertsaal verlagert werden musste.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Für sein Schlusswort - in Anlehnung an das Motto einer der Sonderausstellungen - erntete Norbert Lammert anhaltenden Applaus: "Der Tod hat nicht das letzte Wort, in den Künsten schon gar nicht. Wir müssen nur ihr Überleben sichern."

(gra)
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