Solingen Ein Streiter für die Kultur in der Stadt

Solingen · Ernüchtert, aber voll Tatendrang: Prof. Jörg Becker (Die Linke) zieht nach einem Jahr als Chef des Kulturausschusses Bilanz. Vom neuen OB wünscht er sich unter anderem neue Personalstellen - für die Einwerbung von Fördermitteln.

Die Symphoniker und ihr Generalmusikdirektor werden von politischen Heckenschützen attackiert; Musikschule und Kunstmuseum stehen finanziell unter Druck. "Kultur kostet Geld", sagt Prof. Dr. Jörg Becker (Die Linke) ständig und jedem, der es hören will und besonders denen, die es nicht hören wollen. Für jeden Euro, den die Stadt etwa für das Orchester ausgibt, fließen über die Konzertbesucher durchschnittlich zwei Euro in die Gastronomie und in die Verkehrsinfrastruktur. "Wer da die Axt anlegt, schadet der Stadt", so Becker. So gehe es bald im Kulturausschuss darum, neue Ideen für die Stabilisierung von Musikschule, Kunstmuseum und Co. zu entwickeln. Becker aber weiß auch hier: "Wer glaubt, mit Kultur Gewinne machen zu können, hat die falsche Erwartungshaltung."

Vor rund einem Jahr hat der Politikwissenschaftler und Gewerkschafter das Amt als Chef im Kulturausschuss angetreten. Nun zieht er erste Bilanz. "Mit großen Erwartungen, ja fast euphorisch, bin ich gestartet. Jetzt, nach einem Jahr, bin ich ernüchtert." Aber die Flinte ins Korn zu werfen, ist nicht Beckers Ding.

Als Ideengeber und -förderer möchte er Kultur voranbringen. "Die Arbeit im Ausschuss ist zu wenig von Initiativen geprägt. Vielmehr wird fast nur auf die Vorlagen der Verwaltung reagiert." Und selbige suche zu wenig den Kontakt zum Ausschuss. "Es ist befremdlich, wie viel konzeptionelle Arbeit in der Verwaltung geleistet wird, ohne den Ausschuss einzubeziehen." Auch Beckers Vorschlag zu einem Festakt zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus sei zur internen Verwaltungssache geworden. "Kultur braucht viel Freiheit und Kontroversen. Sie ist auch oft chaotisch. Aber das gehört alles dazu", sagt Becker. "So ist mein vordringlichster Wunsch an den neuen Oberbürgermeister, diese Geschlossenheit der Verwaltung aufzubrechen." Denn: "Verwaltung ist der Tod von Kultur."

Und noch einen Wunsch hat Becker an den neuen OB: "Mindestens zwei Personalstellen, die sich nur um Fördermittel bemühen." Denn gerade in Sachen Kultur gebe es in Düsseldorf, Berlin und Brüssel jede Menge herauszuholen. Ein Beispiel sieht Becker im Zentrum für verfolgte Künste. Durch das Zentrum gebe es belebende Außenkontakte: Etwa wenn zur offiziellen Eröffnung Ausstellung und Gäste aus der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erwartet werden.

Aber auch im Regionalen geht es voran. Becker: "Die Kollegen sind schon richtig happy." Gemeint sind die Kulturausschussvorsitzenden aus Wuppertal und Remscheid. Auf Beckers Anregung soll noch vor Weihnachten ein erstes von regelmäßigen Treffen stattfinden.

(RP)
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