Kunstmuseum in Solingen Ein satirischer Blick auf die Gesellschaft

Solingen · Das Karikaturisten-Netzwerk „Cartooning for Peace“ präsentiert im Kunstmuseum gesellschaftskritische Cartoons.

Mit Zynismus, Humor und einem bitterbösen Lachen greifen die Karikaturen im Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen tagesaktuelle und hochpolitische Themen auf. Gesten führte Kunsthistorikerin Alexandra Peter gut
30 Interessierte durch die Ausstellung zur „Neunten Kunst“.

Sie brachte ihnen die drei Ausstellungsbereiche näher. „Karikaturen brechen mit einer konkreten Absicht Themen auf das Wesentliche herunter und überspitzen gekonnt.“ Cartooning ist keine neumodische Kunstrichtung. Schon die alten Griechen nutzten Parodien auf Mythen, doch erst der französische Journalist Francis Lacassin hob 1971 den Cartoon als neunte der acht bildenden Künste hervor.

In der Ausstellung sind auch Karikaturen aus der Sammlung der Bürgerstiftung des Zentrums aus der Zeit der beiden Weltkriege ausgestellt. Die zuspitzende Macht der Darstellungsform nutzten etwa Heinrich Heine, Erich Kästner und die damalige Tageszeitung Simplicissimus, um die Machenschaften Hitlers und Göhrings ins Bild zu setzen. „Manches war schon damals nur mit Humor zu ertragen“, betont Alexandra Peter.

Im großen Saal präsentiert das Zentrum Werke des Karikaturisten-Netzwerks „Cartooning for Peace“. Weltweit kämpfen die
162 Zeichner, die selbst Migranten sind, in 58 Ländern für Freiheit und Respekt zwischen Kulturen. Auf
15 raumhohen Plakaten haben
60 Künstler den Weg von Vertreibung, Flucht und Ankunft nachgezeichnet. Ergreifende Zitate, die Hintergrundtexte und Karikaturen selbst gehen der Frage auf den Grund, was Flucht bedeutet.

„Um Karikaturen zu verstehen, müssen Leser und Zeichner auf dem gleichen Wissensstand sein. Nur so kann die Nachricht transportiert werden“, betont die Kunsthistorikerin. Flüchtlingsboote in Form eines Sarges auf blutrotem Meer, die Abfertigung von Flüchtlingen in Verteilzentren und die Erpressung durch Schleuser – die Cartoons des Netzwerks zeigen die Realität von Krieg, Elend und Gewalt auf den Routen der Flüchtlinge.

In der unteren Etage erstrecken sich weitere Kunstwerke von 20 internationalen Zeichnern, deren individuelle Biografien perspektivreiche Arbeiten entstehen ließen. Die Bilder des israelischen Cartoonisten Michel Kichka spiegeln die Tagespolitik aus vielen Ländern, kritisieren verwehrte Meinungsfreiheit und verarbeiten dabei Erfahrungen aus Kichkas Kindheit. Talal Nayer, Co-Kurator der Ausstellung, verarbeitet eindrucksvoll die Erlebnisse seiner Flucht aus dem Sudan in Karikaturen, die seine regierungskritische Haltung widerspiegeln.

„Die Zeichnungen sprechen die Wahrheit. Ich bin erstaunt über die Aktualität der Cartoons“, sagt Besucherin Romy Schaub. Die Eindrücke regen die Besucher zu Diskussionen an. Dagmar Decker-Limbachs Neugier weckten die Cartoons schnell: „Viele der Bilder haben eine betroffene, fast bitterböse Atmosphäre – und das ganz ohne Worte.“ Es sei wichtig, das Thema Flucht und Vertreibung im Zusammenhang zu betrachten, betont Marion Schmoranzer: „Mir fehlt die Kritik an den politischen Systemen, die Flucht und Krieg erst auslösen.“

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