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Solingen Ein Jahrhundert Jugenderziehung

Solingen · Am 5. Juli 1911 eröffnete der Provinzialverband der Rheinprovinz als Vorgänger des Landschaftsverbandes (LVR) den Halfeshof als Erziehungsanstalt. Aus einer Drillanstalt für Jugendliche, die vom rechten Weg abgekommen waren, ist ein pädagogisch modernes Heim entstanden.

Der Halfeshof wurde zu einer Zeit gegründet, zu der man solcherlei Einrichtungen nicht von innen erleben mochte. Bereits im Namen "Erziehungsanstalt für evangelische Jungen" schwingt mit, dass es zuvorderst um Zucht und Ordnung ging. Junge, fehlgeleitete Menschen sollten wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Das ist heute wie vor 100 Jahren das Ziel. Doch der Weg hat sich enorm verändert. Früher ging es darum, dass sich die Jugendlichen durch Strafe ändern, heute steht die Pädagogik im Vordergrund.

Zäune und Mauern sind gefallen

Deutlich wird dies schon alleine daran, dass den Halfeshof inzwischen keine Zäune und Mauern mehr umgeben, die Bewohner Solinger Schulen besuchen und umgekehrt Solinger Vereine die Sportmöglichkeiten in der wunderschönen Anlage nutzen. Oder wie es Oberbürgermeister Norbert Feith gestern im Festakt ausdrückte: "Das Jugendheim des Landschaftsverbandes hat sich nach Solingen geöffnet, gleichzeitig ist die Klingenstadt auf den Halfeshof zugewachsen." Ein gedeihliches Miteinander für beide Seiten.

Dabei fiel die Wahl an jenem denkwürdigen Tag des 16. März 1905 — als der 45. Provinzial-Landtag als Rechtsvorgänger des LVR den Bau des Heimes beschloss — auf diesen Standort, weil er so ab vom Schuss und jeglicher Versuchungen war, wie Professor Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, in seiner Rede ausführte. Auch wenn Solingen eine schöne Stadt sei, beschwichtigte er anschließend Stadtoberhaupt Feith, schlage dort halt nicht "dat Hetz" (für alle Nicht-Kölner: gemeint ist Herz) der Welt.

Es gibt kein Patentrezept

Dabei wurde beim gestrigen Festakt aber eines auch deutlich: Ein Patentrezept, wie man auffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen helfen kann, zurück in die Mitte der Gesellschaft zu finden, hat keiner. Und sogar unterschiedliche Ansätze traten hervor. Professor Klaus Schäfer, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kinder und Jugend brachte nachdenklich in die Debatte ein, ob die stationäre Unterbringung in Einrichtungen wie den Halfeshof nicht schon früher, vielleicht sogar schon als erste Station erfolgen sollte. Dies unterlegte er mit Zahlen: 1,8 Milliarden Euro hätten die finanziell überforderten Kommunen in NRW zuletzt für Hilfen für Erziehung ausgegeben.

Oberbürgermeister Norbert Feith vertritt genau den gegensätzlichen Ansatz: Ziel müsse es bleiben, Jugendliche so lange wie möglich in der Familie zu belassen. Diese habe den Erziehungsauftrag. Mit Erfolg — auch mit finanziellem — werde dies in Solingen praktiziert. Vor drei Jahren wurde der Allgemeine Soziale Dienst umstrukturiert. Die Prävention steht inzwischen im Vordergrund. Auch pädagogisch der richtige Ansatz, findet Feith, der allerdings auch berichten konnte, dass die Stadt bei den Hilfen für Erziehung 1,6 Millionen im Jahr einsparen kann. Doch letztlich ist auch ihm klar: Einrichtungen wie den Halfeshof machen auch dieses nicht unentbehrlich. Und so ist der Wunsch von Professor Wilhelm ein frommer: "Dass Einrichtungen wie auch der Halfeshof irgendwann überflüssig sind."

(RP)
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