Baudenkmäler in Solingen Diederichstempel – Zur schönen Aussicht

Serie | Burg / Müngsten · Heimatfreund August Diederichs aus Remscheid stiftete vor gut 120 Jahren zwei ­Pavillons, die nicht nur Hochzeitspaaren „ungehinderten Genuß“ der Landschaft versprechen.

Solingen: Die Diederichstempel in Burg und Müngsten
6 Bilder

Die Diederichtempel in Burg und Müngsten

6 Bilder
Foto: Fred Lothar Melchior

Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederham. Oder eher nicht. Obwohl einige Relikte aus der Kaiserzeit ihren Reiz haben – wie die beiden „Diederichstempel“ in Burg und Müngsten, die nach dem Willen ihres Stifters eigentlich „Diederichseck“ heißen sollten. Der achteckige Aussichtspavillon in der Nähe von Schloss Burg entstand 1895, der siebeneckige mit Blick auf die neue „Kaiser-Wilhelm-Brücke“, heute Müngstener Brücke, sechs Jahre später.

Den ersten „Tempel“ stiftete August Diederichs der Stadt Burg, den zweiten vermachte er Solingen. Damals war der Sohn eines Remscheider Lehrers „zu Schüttendelle“ bereits selbst „Herr Direktor a. D.“, nachdem er zuvor mit seinem Bruder ein Internat in Genf geleitet hatte. Als Pensionär lebte Diederichs in Bonn, dachte aber weiter an seine alte Heimat. Durch seine Bauten wollte er den Wanderern einen „ungehinderten Genuss der erst durch sie erschlossenen Aussicht“ ermöglichen.

Wobei Fachleute auch der Blick auf die Bauwerke selbst reizt (siehe Infokasten) – und die Denkmalschützer sie gerne an einem Tag des offenen Denkmals näher vorstellen. Offen sind die Tempel schließlich ständig. Oder, wie der Stifter forderte: Dem „Publikum“ sollte „zu allen Jahres- und wenigstens lichten Tageszeiten“ der freie Zu- und Eintritt gestattet werden. Das hat leider eine Schattenseite, wie Schmierereien und leere Bierflaschen zeigen. Übrigens kein neues Phänomen: „Bubenhand schändete die Wände, die vormals die seligen Worte eines Heimatfreundes schmückten“, heißt es in einem Zeitungsartikel von 1951 über die Burger Rotunde.

Vor 70 Jahren war sie „nur noch eine Bauruine“. Der Pavillon wurde aber wieder aufgebaut und mehrmals restauriert – zuletzt in den 1970er Jahren (durch den Heimat- und Verschönerungsverein) und 2008. Das Remscheider Gegenstück, das die Nachbarstadt vor genau zehn Jahren zum Denkmal des Monats kürte, hatte 2006 im Rahmen der Regionale eine Schönheitskur bekommen. Das Geld, das August Diederichs den Städten ebenfalls überlassen hatte, dürfte da schon lange aufgezehrt gewesen sein.

Heute könnten die beiden Bauten wieder eine Reinigung und frische Farbe vertragen – wobei der Aussichtpunkt in Oberburg den gepflegteren Eindruck macht. Hier sind auch noch die Texte erhalten, mit denen der Herr Direktor a. D. seiner Heimatliebe Ausdruck gab. Etwa der unter dem Solinger Stadtwappen: „Sieh, wie vielgestaltig Berge,/ Wälder, Felder, Gärten, Au’n/Sich zu einem Bilde einen/Herzerhebend anzuschau’n!“ Dazu passt, wie der Pensionär sich selbst sah: als Mann, dessen „empfängliches Gemüt schon in frühester Jugend von den geschichtlichen Ruinen der Stadt Burg a. d. W. mit Ehrfurcht . . . erfüllt worden ist“ (Auszug aus der Präambel zur Schenkungsurkunde an die Stadt Burg).

Auch in Müngsten waren Wände und Decke des „Tempelchens“ ursprünglich nicht nackt. 1905 ließ Diederichs sie bemalen. „Eine ganze tiefsinnige Predigt voll warmer vaterländischer Gedanken bergen die zahlreichen im Zusammenhang stehenden Inschriften auf des Tempels Wänden“, heißt es in einem rund 100 Jahre alten Band, der Wandertouren beschreibt und einen der Texte zitiert: „Trittst ein erwartungsvoll du hier,/ Und gehst befriedigt dann hinaus,/ So nimm der Inschrift Hochruf dir/ Als Lebenswahlspruch mit hinaus!“

„Befriedigt hinaus“ geht heute auch manches Brautpaar, das sich in Burg oder Müngsten nach der Trauung vor der malerischen Kulisse ablichten lässt. In Müngsten gibt es schon einmal eine Sondergenehmigung, den Waldweg zu befahren, wenn der Bräutigam die Braut (oder umgekehrt) nicht zum Tempel tragen will. Rund 500 Meter lang ist der Weg vom Brückenparkplatz in Müngsten bis zum Diederichstempel auf der Remscheider Seite der Wupper – und es geht zumindest anfangs kräftig bergan.

 Der Tempel in Schlossnähe wird von den Burgern auch gerne „Pfeffertürmchen“ genannt. Spaziergänger und Wanderer legen hier gerne einen Stop ein.

Der Tempel in Schlossnähe wird von den Burgern auch gerne „Pfeffertürmchen“ genannt. Spaziergänger und Wanderer legen hier gerne einen Stop ein.

Foto: Fred Lothar Melchior
 In Burg sind die heimatschwangeren Inschriften von August Diederichs unter den Stadtwappen noch erhalten.

In Burg sind die heimatschwangeren Inschriften von August Diederichs unter den Stadtwappen noch erhalten.

Foto: Fred Lothar Melchior
 Der Remscheider Tempel in neugotischer Form wurde bereits 1987 in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen.

Der Remscheider Tempel in neugotischer Form wurde bereits 1987 in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen.

Foto: Fred Lothar Melchior
 Die Tempel sind jederzeit frei zugänglich.

Die Tempel sind jederzeit frei zugänglich.

Foto: Fred Lothar Melchior
 Toller Blick auf die Müngstener Brücke.

Toller Blick auf die Müngstener Brücke.

Foto: Fred Lothar Melchior

Noch steiler ist der Weg vom Parkplatz in Unterburg (unter der Seilbahn durch) zum „weißen Stein“. Wer von dort den kürzesten Weg wählt, muss sich gelegentlich ducken, weil immer noch umgestürzte Bäume den Weg blockieren. Bequemer geht man vom Parkplatz am Schloss aus durch den Wald. Beide Strecken sind bei guter Kondition in rund einer Viertelstunde zu schaffen.

(Solingen )
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort