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Solingen Die Leere tut weh

Solingen · Interview mit Michael Schulten, Karstadt-Betriebsratsvorsitzender. Vom Konzern abgeschrieben

Bedrückende Leere bei Karstadt: Das Untergeschoss mit der einstigen Lebensmittelabteilung ist gänzlich freigeräumt. Im Obergeschoss sieht es genauso trostlos aus. Hier ist der Weg zum Restaurant mit Baustellenflatterband abgesperrt. Wie viel Überwindung kostet es Sie, morgens durch die Tür bei Karstadt zu ihrem Arbeitsplatz zu gehen?

Schulten Es tut weh. Der Kloß im Hals bleibt stecken. Das fühlen alle Kollegen — jeden Morgen, wenn sie bei Karstadt zur Tür hineingehen.

Im Erdgeschoss zum Graf-Wilhelm-Platz läuft der Verkauf weiter. Wie viel Ware ist noch vorhanden?

Schulten Es gibt noch einige Artikel der Damen- und Herrenbekleidung, ebenso ein klein wenig Parfümerie. Außerdem verkaufen wir die Dekorationsartikel. Im Erdgeschoss wird nur noch im vorderen Bereich verkauft — auf einem Drittel dieser Etage.

Karstadt hat angekündigt, das Warenhaus zum 31. August zu schließen. Wird der Verkauf denn nicht schon früher eingestellt?

Schulten Ja, der letzte Verkaufstag wird am 2. August sein. An dem Samstag ist Schluss.

Was konnte der Betriebsrat für die Mitarbeiter erreichen?

Schulten Der Sozialplan steht, der Interessenausgleich ebenfalls. Zurzeit sind alle Kollegen in einer Transfer-Gesellschaft. Dabei geht es um eine Schulung zur beruflichen Neuorientierung. Zusätzlich gibt es für alle Mitarbeiter einen Computerkursus. Sobald zum 31. August die Übergabe des Warenhauses an den Investor erfolgt, werden alle Mitarbeiter freigestellt. Der überwiegende Teil der Kollegen ist bis zum 31. Dezember beschäftigt.

Wie viele der einst 80 Beschäftigten im Karstadt-Warenhaus sind jetzt noch an Bord?

Schulten Alle Beschäftigten mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag sind noch da beziehungsweise nehmen an Schulungen teil. Die Arbeitszeitregelung läuft ganz normal weiter, die Mitarbeiter nehmen den geplanten Urlaub und die geplante Freizeit.

Was bedeutet es für die Kollegen, in einem fast leeren Warenhaus weiter zu arbeiten?

Schulten Das ist haarsträubend. Man ist als Mitarbeiter selbst anwesend, es ist aber fast keine Ware mehr vorhanden, die man verkaufen könnte. Die Kollegen fühlen sich überflüssig.

Hat Karstadt neue Jobs in anderen Filialen angeboten?

Schulten Ja, in verschiedenen Filialen. Es waren aber keine adäquaten Stellen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechen. Der überwiegende Teil hat noch keine neue Stelle gefunden. Es ist sehr schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Was sagen die Kunden?

Schulten Unsere Kunden sind sehr traurig. Sie stellen sich die Frage, wo sie in Zukunft einen großen Teil unseres Sortimentes in Solingen noch kaufen können. Aber diese Kunden sind jetzt leider dünn gesät, weil es auch ihnen weh tut, in das fast leere Warenhaus zu kommen. Sie wollen Karstadt in guter Erinnerung behalten. Wir hatten bis zu 60 Prozent Stammkunden. Das ist ein absoluter Spitzenwert.

Günter Tewes führte das Gespräch.

(RP)
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