Ungewöhnliches Projekt von Susanne Kessler Diese Linie besitzt eine Geschichte

Solingen · Die Künstlerin Susanne Kessler stellt im Museum der Westküste auf Föhr aus.

 Susanne Kessler vor ihrer Wandzeichnung im Museum der Westküste.

Susanne Kessler vor ihrer Wandzeichnung im Museum der Westküste.

Foto: Kessler, Susanne

Während ihres Aufenthalts 2016 als Artist-in-Residence im Museum Kunst der Westküste in Alkersum beschäftigte sich Susanne Kessler intensiv mit den geografischen, historischen und kulturellen Besonderheiten der nordfriesischen Insel Föhr. Bei ihren Recherchen stieß die Künstlerin auf eine Grafik, die sie sofort faszinierte: eine Nachzeichnung der Odyssee der „Susanna“ bei der Umsegelung von Kap Hoorn. Unter der Führung des Föhrer Kapitäns Christian Jürgens (1875–1959) geriet im Winter 1905 der Dreimaster „Susanna“ auf seiner Fahrt von Port Talbot (England) zum chilenischen Salpeterhafen Iquique in lang anhaltende Stürme um Kap Hoorn. 100 Tage lang, davon allein 80 Tage bei starkem Sturm, kämpfte sich die Mannschaft auf der Reise um die Südspitze Amerikas.

Der anscheinend wirre Linienverlauf der Grafik, die Kessler als winzige Kopie in einem Buch fand, wurde zum Ausgangspunkt ihrer zweijährigen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Irrfahrt des Schiffs. „Als Zeichnerin war ich sofort angeregt zu verstehen, wie sie verläuft, denn sie besteht ja aus einer fortlaufenden Linie. Das sie eine dramatische Reise aufzeichnet, gab ihr eine zusätzliche Faszination“, erzählt die Künstlerin anlässlich der Präsentation ihrer Ausstellung „Odissea“ im Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr. „Die Geschichte, die dahinter stand, das Herumirren auf dem Meer verband sich in meinem Kopf auch bald mit der epischen Irrfahrt von Odysseus, mit der ich mich parallel in einem Malbuch über die Jahre hinweg auseinandergesetzt habe.“

Im Zentrum der Schau im Museum auf Föhr steht eine große Innenrauminstallation, die das grafische Liniengerüst der Irrfahrt um Kap Hoorn nachzeichnet und dreidimensional nacherlebbar macht – auf dem Boden liegend als maßstabsgerecht auf acht Meter Länge vergrößert und aus Draht, Schläuchen und einem Plastiknetz gefertigt. Eine dreidimensionale Wandzeichnung findet sich zudem auf der Stirnwand des zweiten Ausstellungssaales. Kessler hat in einer weiteren Arbeit diese Zeichnung zu 17 freigelegten Linienelementen seziert, womit sie den Schritt von der Irrfahrt zu einer abstrakten linearen Komposition vollzieht. „Es ist schön, wenn die Linie eine Geschichte besitzt und somit keine willkürliche ist, das wird man spüren“, beschreibt Kessler.

Begleitet werden die Raumarbeiten von Zeichnungen, Aquarellen, ein Arbeitsbuch, Filme, Animationen, Tucharbeiten und Bildwerke von Susanne Kessler, die den vorbereitenden Installationsprozess darlegen. Ein zweiter Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf historischen Objekten, die in direktem Bezug zur Kap-Hoorn-Odyssee stehen. Neben dem Schiffsporträt der „Susanna“ werden auch Auszüge aus dem originalen Logbuch gezeigt.

(mit)
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