Paulina Holzknecht und Philip Houston Die zwei vom Jagenberg

Solingen · Die Zukunft des Reitsports könnte im Bergischen liegen: Dressurreiterin Paulina Holzknecht und Springreiter Philip Houston sind beide 20, Top-Talente aus einem kleinen Solinger Verein und auf verschiedenen Wegen zum großen Traum.

Was der Sprung über ein 1,60 Meter hohes Hindernis auf dem Rücken eines Pferdes nicht vermag, das gelingt an diesem Mittag einer einzelnen Wespe: Philip Houston spürbar aus der Ruhe zu bringen. Paulina Holzknecht neben ihm wird gleich sagen, sie könne das Publikum bei einer Dressurprüfung komplett ausblenden. Aber auch sie macht die wohl penetranteste Wespe auf dem Gelände des RV Gut Jagenberg ein wenig nervös. Die Abneigung gegen die nervigen Brummer ist aber nicht das, was die beiden 20-jährigen Nachwuchsreiter aus dem Bergischen verbindet. Es ist der Traum, es mal ganz nach oben zu schaffen, im Nationenpreis für Deutschland reiten zu dürfen. Da wollen sie hin – aber das auf unterschiedlichen Wegen.

„Ich bin in den letzten zwei Jahren zweigleisig gefahren. Ich hab die Junioren-Tour und die Junge-Reiter-Tour absolviert und bin gleichzeitig auf der Global Champions Tour geritten. In diesem Jahr habe ich entschieden, dass ich mich nur auf die Global Champions Tour konzentriere“, erzählt Houston. Bei der Global Champions Tour handelt es sich um die höchstdotierte internationale Turnierserie im Springreiten. 17 Turniere, bei denen sich die weltbesten Reiter messen. Weltmeister, Olympiasieger, die großen Namen der Zunft – und eben Houston mittendrin. „Ich kann von den Profis extrem viel lernen, das bringt mir total viel. Es gibt mir jetzt niemand aktiv Tipps, aber bei der Parcours-Begehung kann man seine Fragen schon loswerden“, sagt er.

Als er Mitte Juni im portugiesischen Estoril als bester Deutscher auf seiner Stute Chalanda Fünfter wurde und 18.000 Euro an Preisgeld gewann, war das sogar der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine Meldung wert. „Es war halt echt eine super Platzierung, es war auch für das Pferd das erste Mal, so einen schweren Parcours zu gehen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut laufen könnte“, sagt Houston. Es war ein Ausrufezeichen, ein Lernerfolg im Kreis der ganz Großen.

Den ganz Großen begegnet Paulina Holzknecht eher selten – ganz einfach, weil die Isabell Werths und Sönke Rothenbergers nicht in ihrer Altersklasse reiten. Und das sind eben die Jungen Reiter, worunter der deutsche Reitsport die 19- bis 21-Jährigen zusammenfasst. Paulina, die auf Gut Jagenberg zu Hause ist und nach ihrer Ausbildung zur Pferdewirtin in Wermelskirchen als Bereiterin arbeitet, beschreitet den „üblichen“ Weg einer Nachwuchsreiterin. Sie geht durch die Altersstufen – und das äußerst erfolgreich. Bei der U21-Europameisterschaft im französischen Fontainbleau im Juli gewann sie auf ihrem Wallach Wells Fargo Gold mit der Mannschaft und Silber im Einzel. „Paulina konnte alles, was wir uns für sie vorgenommen haben, auch umsetzen“, sagte Bundestrainer Oliver Oelrich danach.

„Ich habe noch ein Junge-Reiter-Jahr, und ich hoffe, dass es natürlich weiter so gut für mich läuft“, sagt Paulina Holzknecht. 2019 steht erneut eine EM an, und danach geht es für sie darum, einen möglichst reibungslosen Übergang in die U25-Serie zu finden. Der Erfolg, das weiß sie genauso wie Houston, hängt indes nicht nur von ihrem Können ab. „Du brauchst gute Pferde, und die guten Pferde müssen auch gesund bleiben. Das hat man natürlich immer ein bisschen im Hinterkopf“, sagt Paulina Holzknecht. Also arbeiten beide daran, junge Pferde auszubilden, um auch morgen Top-Pferde reiten zu können. „Du musst dich frühzeitig mit den jungen Pferden beschäftigen. Mir macht beides Spaß“, sagt Houston, der parallel ein BWL-Fernstudium für Leistungssportler absolviert.

Einer, der den Übergang vom Talent zum Nationenpreisreiter geschafft hat, ist Maurice Tebbel. „Ich kenne Maurice persönlich ganz gut. Für ihn war die Zeit perfekt, in der er seine guten Platzierungen hatte. Da hat sich eine Lücke gebildet, und da kamen er und Laura Klaphake eben rein“, sagt Houston. In so eine Lücke würde auch Houston gerne mal reinstoßen. Erst einmal will er aber auch 2019 auf der Global Champions Tour weiter Erfahrung sammeln. Denn „Erfahrung zu sammeln ist das Wichtigste“, findet auch Paulina Holzknecht. Egal, welchen Weg zum großen Traum man letztlich auch geht.

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