Solingen Der Sohn entlastet "Drogen-Oma"

Solingen · Der Richter konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen. Zum Auftakt des gestrigen Verhandlungstages im "Drogen-Oma"-Prozess richtete er das Wort zunächst an die junge Dame, die soeben von Wachtmeistern in Saal 12 des Wuppertaler Landgerichts geführt worden war.

"Sie begrüßen wir heute besonders", erklärte der Richter also an die Adresse der 29-Jährigen, die Mittwoch nicht erscheinen konnte, weil sie tags zuvor trotz des anhängigen Rauschgiftverfahrens erneut beim Heroin-Schmuggeln erwischt und darum kurzerhand aus dem Verkehr gezogen worden war.

Nun blüht der gebürtigen Bocholterin eine erheblich höhere Strafe — und es bleibt zu hoffen, dass sie dies sowie das Schicksal jenes Mannes, der gestern mehr oder weniger umfassend aussagte, ja eines Tages doch noch mal zum Anlass nehmen, auf den rechten Weg zurückzukehren. Denn nachdem der Vater ihres ebenfalls angeklagten Freundes der jungen Frau zur Begrüßung seinerseits eine Kusshand zugeworfen hatte, begann der heute 51-Jährige sein Leben zu schildern.

"Relikt aus den 70er-Jahren"

Der Solinger ist seit sage und schreibe 36 Jahren heroinsüchtig. "1973 fing es an", erinnerte er sich gestern vor der 1. Strafkammer an den Beginn seiner Drogenkarriere. Und irgendwie konnte man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass er in jener Zeit stecken blieb. Lange Haare, ein Faible für Motorräder, die Musik von Janis Joplin und Doors-Sänger Jim Morrison: Angesichts des Lebenslaufs des 51-Jährigen, der von einem medizinischen Gutachter als "Relikt aus den 70er-Jahren" bezeichnet wurde, nimmt es sich fast wie ein Wunder aus, dass ihn nicht das gleiche Schicksal ereilte wie seine musikalischen Idole: ein früher Drogentod.

Wahrscheinlich bewahrte ihn davor nur die Fürsorge seiner Mutter, die sich all die Jahre um ihn kümmerte. Und der der Sohn nun seinerseits zu helfen versuchte. Allein aus Liebe zu ihm, so ließ er über seinen Anwalt erklären, habe ihn die 85-Jährige zum Heroinkauf nach Holland begleitet sowie das Rauschgift gelagert. Gleiches gelte im Übrigen auch für seinen eigenen Sohn, der erst in den Schmuggel eingestiegen sei, als es dem Vater gesundheitlich immer schlechter ging — und der so seine ganze Familie in einen Drogensumpf zog, von dem in Wirklichkeit ganz andere profitieren. Zu Hintermännern war dem 51-Jährigen gestern nichts zu entlocken. Das Verfahren wird Mittwoch mit der Aussage der 85-Jährigen fortgesetzt.

(RP)
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