Britta Masuch "Der große Wurf ist nicht gelungen"

Solingen · Seit dem 1. Juli gelten neue Verbraucher-Insolvenzregeln. Doch beim finanziellen Neustart gibt es hohe Hürden.

Nur noch drei statt bislang sechs Jahre lang Forderungen von Gläubigern abstottern, und dann auch den Rest der Schulden loswerden - so sieht's die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens auf dem Papier vor. Ist das überhaupt umzusetzen?

Masuch Sie spielen auf die sogenannte 35-Prozent-Regelung an. Danach können Schuldner nach drei Jahren einen Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung stellen, wenn sie 35 Prozent der festgestellten Schulden und die Verfahrenskosten zahlen können. Meiner Meinung nach können Schuldner, die tatsächlich 35 Prozent ihrer Schulden plus Verfahrenskosten in drei Jahren bezahlen können, in der Regel ein Insolvenzverfahren vermeiden.

Können sich Schuldner jetzt tatsächlich schneller von ihren Zahlungsverpflichtungen befreien?

Masuch Ja, wenn sie innerhalb von fünf Jahren die Verfahrenskosten bezahlen können, dann macht ein Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung nach fünf Jahren Sinn. Allerdings wissen wir derzeit nicht, wie sich die Kostenregelungen beim Gericht ändern werden.

Was ist inhaltlich weiter neu gegenüber der bisherigen Regelung? Wie sieht es mit den Kosten für das Gericht und den Insolvenzverwalter aus?

Masuch Die Insolvenzverwalter haben wesentlich mehr Pflichten bekommen, dafür ist jedoch auch die Vergütung verändert worden. Es ist überhaupt noch nicht abzuschätzen, welche Verfahrenskosten zukünftig auf die Betroffenen zu kommen.

Also hohe Hürden für den finanziellen Neustart?

Masuch Ja, aber die hohen Hürden gab es ja schon immer. Es ist in Deutschland sehr negativ besetzt, wenn man Schulden "loswerden will". In den anglikanischen Ländern geht die öffentliche Meinung viel gelassener mit einem finanziellen Neustart um.

Ist das neue Regelwerk in der Praxis derzeit überhaupt umsetzbar?

Masuch Umsetzbar ist ja erst mal vieles. Es ist halt ein Neustart ohne wirkliche Neuerung. Manches wird komplizierter, aber der große Wurf ist damit nicht gelungen.

Wer hat die Reform gewollt?

Masuch Alle haben eine Reform gewollt. Politik, Schuldnerverbände und Wirtschaft. Leider ist daraus eine Regelung ohne wirkliche Gewinner geworden. Die Politik wollte den schnellen finanziellen Neustart, damit es sich wieder lohnt, arbeiten zu gehen. Die Schuldnerverbände wollten eine Erleichterung des Verfahrens und die Wirtschaft wollte es den Schuldnern aber auch nicht zu leicht machen. Im Endeffekt haben jetzt alle kleine Siege errungen, aber keiner ist richtig glücklich.

Was ist in der Regel der Grund dafür, dass Menschen in Zahlungsnot geraten und sich verschulden?

Masuch Natürlich die Klassiker wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung. Oft ist es aber auch tatsächlich das viel zu geringe Einkommen und der nicht erlernte Umgang mit Geld. Prävention, Unterstützung aus Schule und Elternhaus und das gute, alte Haushaltsbuch - auch als App auf dem Smartphone -, sprich der überlegte Umgang mit Geld, schützen am besten vor der Schuldnerkarriere.

Wie kann die Verbraucherberatung helfen?

masuch Wenn jemand Probleme mit seiner finanziellen Situation hat, stehen wir gerne mit Rat und Tat zur Seite. Das beginnt bei einer reinen Budgetberatung - auch bei schwarzen Zahlen - und geht über eine Schuldnerberatung, Hilfe bei Pfändungen, Unterstützung beim Einrichten eines P-Kontos tatsächlich bis zur Fertigstellung des Insolvenzantrags. Wer sich mal bei uns erkundigen möchte, kann gerne donnerstags zu uns in die Erstberatung kommen. Diese findet in der Regel zwischen 14 - 16 Uhr statt. Zur Vorbereitung für dieses Gespräch halten wir Unterlagen bereit, die jeder gerne zu unseren Öffnungszeiten bei uns abholen kann. Darüber hinaus bieten wir auch den Bildungseinrichtungen Unterrichtseinheiten an, damit gerade junge Menschen den Umgang mit Geld erlernen können.

UWE VETTER STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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