Solingen Der Erste Weltkrieg im Spiegel expressiver Kunst

Solingen · Dr. Gerhard Schneider zeigt in Reutlingen unter dem Titel "Kämpfe Passionen Totentanz" Bilder aus seiner Sammlung.

 Dr. Gerhard Schneider vor dem Bild "Opfer" von Otto Lange aus dem Jahr 1919. Teile seiner Sammlung hat er jetzt nach Reutlingen ausgeliehen.

Dr. Gerhard Schneider vor dem Bild "Opfer" von Otto Lange aus dem Jahr 1919. Teile seiner Sammlung hat er jetzt nach Reutlingen ausgeliehen.

Foto: mak (Archiv)

Vor zehn Jahren konnte mit der "Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider" im Solinger Kunstmuseum ein einzigartiger Schwerpunkt geschaffen werden. 2008 kam als Dauerleihgabe der Stiftung der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft die Sammlung "Die verbrannten Dichter" (Jürgen Serke) hinzu. Seit 2005 wird die Bürgerstiftung auch durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) gefördert, der mit dem Zentrum für verfolgte Künste eine Teilträgerschaft des Solinger Kunstmuseums übernehmen wird.

Im Mai 2011 folgte der überraschende Bruch mit dem Sammler. Schneider erklärte im Mai 2011, dass er seine Privatsammlung nicht mehr für das entstehende Zentrum für verfolgte Künste zur Verfügung stellen wird. Doch auch nach seinem Rückzug sitzt er weiterhin dem Stiftungsrat der Bürgerstiftung vor.

Zwar sind Schneiders anschließende Bemühungen, seine Sammlung fest in anderen Städten zu verankern, bislang nicht von Erfolg gekrönt worden, doch hat der 75-Jährige seine stetig weiterwachsende Sammlung zur "expressiven Gegenständlichkeit" auch nach 2011 weiter in verschiedenen Städten in thematischen Ausstellungen präsentiert — etwa 2013 unter dem Titel "Verfemt, verfolgt — vergessen? Kunst und Künstler im Nationalsozialismus" im Berliner Stadtmuseum (Ephraim-Palais).

Am 31. Januar wird nun auch in Reutlingen eine weitere Präsentation mit Werken der Sammlung Schneider eröffnet. Aus Anlass der 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkriegs zeigt das Städtische Kunstmuseum Spendhaus unter dem Titel "Kämpfe Passionen Totentanz — Der Erste Weltkrieg im Spiegel expressiver Kunst" anhand von Zeichnungen, Druckgrafiken und Gemälden, wie Künstler die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" unmittelbar verarbeiteten.

Weit über 400 kritische Bilder, die die Folgen des Kriegs zwischen 1914 und 1918 thematisieren, hat Schneider zusammengetragen. Bilder aus Künstlernachlässen ergänzen in Reutlingen die Exponate aus seiner Sammlung. Zwar assoziiert man mit der Kunst zum Thema Erster Weltkrieg überwiegend Werke etwa von Otto Dix, George Grosz oder Käthe Kollwitz — und damit vor allem die kritischen Positionen, die zumeist erst nach Ende des Kriegs in der Weimarer Republik bekannt wurden.

Die große Fülle und Qualität der Arbeiten aus der Hand heute wenig bekannter oder nahezu in Vergessenheit geratener Künstler, die die Ereignisse bereits während des Kriegs und meistens unter dem strengen Blick der Zensur thematisierten, steht naturgemäß in deren Schatten. Werke etwa von Otto Fischer-Trachau, Fritz Fuhrken, Friedrich Wield, Willy Jäckel, Wilhelm Kohlhoff oder auch Heinrich Stegemann. Die Ausstellung im Kunstmuseum Spendhaus macht es sich zur Aufgabe, gerade diese Werke vorzustellen und zu befragen.

Das Spektrum des in Reutlingen Gezeigten reicht von Beispielen eines unreflektierten Hurrapatriotismus über anekdotische, den Soldatenalltag verharmlosende Genredarstellungen einerseits und Motiven andererseits, die das Kriegsgeschehen symbolistisch überhöhen, bis schließlich zur kritischen Sicht auf die grausame Wirklichkeit des ersten modernen Kriegs.

(mit)
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