Düsseldorfer Künstler stellt in Solingen aus Verbindung von Vergangenheit und Zukunft

Solingen · Das Kunstmuseum zeigt in der aktuellen Ausstellung die Gegenüberstellung zweier Künstlerpersönlichkeiten: Friedrich August De Leuw und Hiroyuki Masuyama.

 Blick in den oberen Saal für Wechselausstellungen des Kunstmuseums mit Werken von Hiroyuki Masuyama.

Blick in den oberen Saal für Wechselausstellungen des Kunstmuseums mit Werken von Hiroyuki Masuyama.

Foto: Peter Meuter

Eigentlich sind es drei Künstler, die diese Ausstellung im Kunstmuseum möglich gemacht haben: Der japanische Künstler Hiroyuki Masuyama, der vor vielen Jahren bereits in der Bergischen Kunstausstellung Erfolge hatte und nach seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf eine bemerkenswerte Karriere aufweisen kann. Zum zweiten Dirk Balke, Künstler, Galerist und viele Jahre Ateliernachbar Masuyamas. Er hat die Ausstellung kuratiert und ist intensiver Kenner des dritten Künstlers: Friedrich August De Leuw.

Der Gräfrather Maler De Leuw (1817-1888) erlebt gerade eine Art Wiederentdeckung. Dirk Balke hat sich zur Aufgabe gemacht, den fast vergessenen lokalen Künstler zurück ins kulturelle Bewusstsein zu heben. Mithilfe von Konzeptkünstler Hiroyuki Masuyama ist dies hervorragend gelungen.

Hiroyuki Masuyama hat sich auf eine Zeitreise begeben und sich dem Maler der Romantik auf tiefgründige Weise genähert. Ausgangspunkt war ein magischer Ort, der Rheingrafenstein, eine Felsformation an der Nahe im Landkreis Bad Kreuznach. Einige Zeichnungen „nach der Natur“ von De Leuw sind im Museum zu sehen. Aus diesen Vorskizzen entstand 1876 Friedrich De Leuws Gemälde „Rheingrafenstein mit Mönch und Ministrant“ (Öl auf Leinwand). Dieses Bildmotiv hat Hiroyuki Masuyama mit fotografischen Mitteln perfekt nachgestellt. Digital aus mehr als 100 Fotos komponiert, hat sein Werk eine ähnlich intensive Aura wie das historische Gemälde. Es beeindruckt den Betrachter auf gleiche Weise. „Aber jeder Schritt zur Realisation war ein Kraftakt und erforderte ein hohes Maß an Ausdauer“, erläutert die Direktorin des Kunstmuseums Gisela Elbracht-Iglhaut den Arbeitsprozess des 1968 in Japan geborenen Künstlers.

    Hiroyuki Masuyama vor seinem 14 Meter langen Bild, das eine Landschaft 365 Tage eines Jahres darstellt.

Hiroyuki Masuyama vor seinem 14 Meter langen Bild, das eine Landschaft 365 Tage eines Jahres darstellt.

Foto: Peter Meuter

Auch die Besucher können die Zwischenergebnisse im Museum verfolgen. Masuyama fotografierte den Granitfelsen aus gleicher Perspektive wie der Maler des 19. Jhds. Die beiden Personen auf dem Bild, Mönch und Ministrant, wurden durch ein aufwendiges Casting und Fotoshooting mit Menschen aus der Region realisiert. So entstanden verschiedene Bildversionen. Das Boot im Vordergrund des Bildes wurde, weil sich kein passendes Original fand, von Masuyama eigenhändig nachgebaut – in Originalgröße. Für das perfekte Werk hat er ein Composing aller Digitalfotos so ineinander verwoben, dass das Ergebnis dem Original von De Leuw erstaunlich nahe kommt. Die Bildmontage mit den Mitteln des 21. Jhds. zeigt eine Ideallandschaft, die so nie existiert hat. Durch die Präsentation als hinterleuchtete Fotoarbeit verortet sich die Arbeit eindeutig in der Gegenwart. Warum das alles? Weil der Künstler, der sich auf Zeitreise begibt, mit seinem Konzept Partizipation ermöglicht. Das heißt, nicht nur unterschiedliche Orte, auch Menschen werden Teil des Kunstprojekts. „Kunst ist etwas, was Menschen einbezieht,“ ist das Credo des Künstlers. Und so wird die Kunst von Friedrich August De Leuw auf sensible Weise aktualisiert und mit dem Heute verbunden.

Weitere seiner faszinierenden Leuchtkästen zeigen Landschaftsbilder, die als solche ebenfalls Ideallandschaften sind und jeweils Gemälden von Friedrich August De Leuw gegenüber gestellt sind. Der Künstler vereint in seinem 9,80 Meter langen Diabild einer Blumenwiese vier Jahreszeiten. Auch dies eine Zeitreise, denn die Blumen auf dieser Wiese blühen in der Realität niemals zeitgleich.

 Künstler Dirk Balke hat die Ausstellung im Kunstmuseum kuratiert.

Künstler Dirk Balke hat die Ausstellung im Kunstmuseum kuratiert.

Foto: Peter Meuter

Den blühenden Landschaften hat Hiroyuki Masuyama dunkle Welten gegenüber gestellt. Eine riesige begehbare schwarze Kugel steht im Zentrum des hohen Raums im Untergeschoss des Museums. Der Besucher kann sich in die Kugel zurückziehen und im Dunkeln das Sternenfirmament erleben. Eine wandfüllende Arbeit im gleichen Raum besteht aus 670 kleinen schwarzen Leinwänden, auf die der Künstler die Milchstraße minutiös gemalt hat. Ergänzt wird die Präsentation mit Bildern Friedrich De Leuws, die das in der Romantik so beliebte Mondmotiv variieren.

Das Bedrückende der derzeitigen politischen und pandemischen Situation ist in Masuyamas Werk ebenso zu spüren wie die Sehnsucht nach Weite, Freiheit und der positiv aufgeladene Blick in die Natur, wie ihn auch die Romantiker empfanden. Eine andere den Menschen zugewandte, sie einbeziehende Strategie verfolgt sein Wohnzimmerprojekt. Hier geht es dem Künstler um direkte Teilhabe, diesmal an Kunst und Kultur. Er arbeitet an der Demokratisierung von Kunst, an einem neuen unmittelbareren Verhältnis der Menschen zur Kunst. Dazu will er seine Arbeiten für jeweils einen Monat in das Wohnzimmer ihm unbekannter Menschen hängen.

„Ich will eine Brücke sein, will Menschen verbinden und Kulturen wie die japanische und die deutsche Kultur. Eine Brücke sein in der Verbindung von Vergangenheit und Zukunft“, bekräftigt Hiroyuki Masuyama seine Intentionen und Utopien. Mit dem De Leuw-Projekt haben er und Dirk Balke eine tiefgründige und sehenswerte Verbindung geschaffen.

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