Solingen Das letzte Lied im Getaway

Solingen · Ende des Monats schließt die Kultdisco in Ohligs. Mit einem Live-Musik-Festival feierte der "Cow Club" am Samstag bereits Abschied. Viele Bands wollten noch einmal in dem Gemäuer auftreten.

 Die letzten Biere wurde bei der Abschiedparty im Getaway gezapft. Am Ende des Monats ist Schluss.

Die letzten Biere wurde bei der Abschiedparty im Getaway gezapft. Am Ende des Monats ist Schluss.

Foto: Stephan Köhlen

Für einen Augenblick ist es so wie in den besten Zeiten. Das "Getaway" ist ausverkauft, vor der Bühne herrscht dichtes Gedränge und der Bass wummert laut bis in den letzten Winkel des alten Gemäuers. Auf der Bühne erzählen "Ärger Now!" lautstark vom Ende der Welt und Autos, die nicht anspringen wollen, wenn man sie am dringendsten braucht. Und die Besucher feiern - ein letztes Mal zu Live-Musik im "Getaway". Denn Ende des Monats schließt Jürgen Ries die Disco. Immer weniger Besuchen hatten den Weg nach Ohligs gefunden, aber die großen Räumlichkeiten wollten weiter bezahlt werden. Und so feiert an diesem Abend die Wehmut mit. Bei den Besuchern, den Musikern und den Veranstaltern.

Bevor die Kultdisco in Ohligs Ende des Monats für immer die Türen schließt, hatte der "Cow Club" noch ein letztes Mal für Live-Musik in den heiligen Hallen sorgen wollen und einen Rundruf an heimische Bands geschickt. "Die Rückmeldung war riesig", sagt Jens Mummert vom "Cow Club". Viele Gruppen wollten zum Abschied im "Getaway" spielen. "Wir mussten fast 20 Bands absagen", sagt Mummert. So groß war die Nachfrage. Elf haben es am Ende auf die Bühne geschafft. "Cuckoo" spielen zum Abschied und "Ideoblast", "Bängks" und "Ärger Now!", die Band "Kontrolle" ist ebenso dabei wie "New Next", "Konstellar", "Catcatcat" und "Van Dunkeln". Auch "Lax Alex Contrax" und "Vocati" wollen zum letzten Live-Konzert aufspielen. Schon als um 18 Uhr der Startschuss fällt, ist die Tanzfläche voll. Die Jungen rocken mit den Alten. Besucher, die schon vor 40 Jahren nach Glüder kamen und den Umzug in die alte Brauerei nach Ohligs mitmachten, kehren zurück. Junge Fans, die das "Getaway" und die Live-Musik erst kürzlich für sich entdeckten, tanzen gleich nebenan. Keiner fällt auf, jeder ist willkommen. Hauptsache Tanzen. "Wir haben so viel Zeit hier verbracht", erzählt Simone Leonartz und blickt sich um. Gemeinsam mit Freundin Kerstin Theiner ist sie zum Abschieds-Festival zurückgekehrt.

Natürlich sei an diesem Abend viel Wehmut dabei. "Das waren tolle Zeiten", sagt sie. Jedes zweite Wochenende hätten sie früher in der Disco verbracht, Nächte durchgetanzt, bis in den Morgen gefeiert. "Das war nicht so schickimicki hier", sagt Kerstin Theiner, "hier konnte man abfeiern. Jeder, der wollte."

Und genau das haben die beiden Frauen an diesem Abend vor - in Erinnerung an alte Zeiten. Gleich nebenan tanzt Marco Conzen. Er hat heute Geburtstag und seine Freunde haben den Überraschungsausflug ins "Getaway" geplant. "Hauptsache feiern. Und das konnte man hier schon immer besonders gut", sagt er, "aber es ist halt wie es ist." Und doch schwingt auch hier die Wehmut mit. "Die Schließung ist schade für Solingen", sind sich Claudia Conzen und Kay Ahrens einig, "hier hat das Feiern immer Spaß gemacht."

Und das soll auch an diesem Abend so sein. Schließung hin oder her. Und deswegen stürzen sich die Drei wie eh und je ins Getümmel. Bevor "Ärger Now!" allerdings zum nächsten Song ansetzt, brüllt die Band noch schnell ein "Dankeschön Getaway" ins Publikum. Denn auch für die Musiker ist es eine emotionale Rückkehr. Sie haben damals ihre erste CD in der Ohligser Disco gefeiert. Ehrensache, dass sie zum Abschied zurückkehren. Und so geht es vielen Musikern. "Das war die erste Disco, in die ich gegangen bin", erzählt Jens Mummert wehmütig, während "Ärger Now!" zum großen Finale ansetzt, "mit der Schließung endet meine Jugend nun endgültig." Aber vorher kommen sie noch einmal alle zusammen: Musiker und Besucher, Ehemalige und Frischlinge. "Es ist heut wie ein Familientreffen oder ein Klassentreffen", stellt Jens Mummert schließlich fest, "alle sind wieder da." Für viele sei es eine emotionale Sache, zum letzten Mal an diesem Ort auf der Bühne zu stehen. Nicht umsonst hat der "Cow Club" das Festival "The Last Song" genannt. Und genau den wollen die Musiker heute Abend spielen.

(RP)
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