Interview mit Markus Schlösser Das Gelb steht für die Zukunftsbäume

Solingen · Von dunklen Fichtenschonungen haben sich die städtischen Förster verabschiedet. Naturgemäße Waldwirtschaft heißt das Prinzip. Jeder soll einen abwechslungsreichen Mischwald erleben dürfen. Problem: Das erfordert Rücksichtnahme.

Wie naturnah ist der Wald in Solingen noch?

Schlösser (mit Entschiedenheit) Wieso noch! Er ist inzwischen wieder naturnah. Zuletzt hat uns "Kyrill" 2007 gezeigt, was in der Natur geht und was nicht. Fast ausschließlich Fichten sind bei dem Orkan umgefallen. "Kyrill" schlug eine Schneise von der Ohligser Heide nach Widdert, an der Wupper entlang und weiter zur Strohner Höhe und Burg. 25 Hektar, so viel wie 50 Fußballfelder, waren betroffen. Das ist jetzt wieder aufgeforstet — allerdings nicht mehr mit Fichten, sondern mit Laubbäumen, die hier auch natürlich vorkommen: Stieleiche, Traubeneiche, Buche, Kirsche, Ahorn, Esche, Erle und Birke.

Was ist das Ziel der Waldwirtschaft?

Schlösser Wir möchten einen ökologisch stabilen Wald. Naturgemäße Waldwirtschaft nennen wir das. Mit Fichten oder anderen schnellwachsenden Nadelhölzern ließen sich wirtschaftlich zwar deutlich höhere Erträge erzielen. Reine Fichtenbestände sind ökologisch sehr bedenklich.

Wie agiert die Stadt auf der riesigen Waldfläche von über 1000 Hektar?

Schlösser Wir machen keine Kahlschläge ganzer Schonungen, sondern betrachten immer den einzelnen Baum. Die besten Stämme werden freigestellt, damit sie sich ungehindert von Bedrängern entwickeln können. Das sind die Zukunftsbäume. Sie sind mit gelben Bändern markiert. Das sieht man auch draußen. Ziel ist der Wald mit Bäumen, deren Alter und Arten gemischt sind. Wo ein großer Baum entnommen wird, können junge nachwachsen; und es bildet sich neuer Lebensraum für Gräser und Kräuter. Der Wald wird schon seit über 30 Jahren naturgemäß bewirtschaftet. In einem dunklen Fichtenwald wandert man doch nicht so gerne.

Wandern ist ein gutes Stichwort. Ist die Erholungsfunktion des Waldes ein Schwerpunkt der Arbeit?

Schlösser Wir wollen, dass die Menschen den Wald erleben können und sich im Wald wohl fühlen. Was man kennt, kann man auch schützen. Deshalb hat das auch eine Naturschutzbedeutung. Es ist kein Zufall, dass der Bergische Panoramasteig, ein über 200 Kilometer langer Wanderweg in der Region, auch durch Solingen führt — von Gräfrath durch die Wupperberge bis zur Stadtgrenze in Glüder. Das zeigt, wie schön unsere Wälder sind.

Wo ist Ihre Lieblings-Wanderstrecke?

Schlösser Was ich persönlich genieße, ist das Bertramsmühler Bachtal mit seinen Wanderwegen. Vom Meisenburger Weg aus geht es talwärts bis nach Glüder. Wir haben hier noch unberührte Laubholzbestände. Es ist sehr abwechslungsreich und urtümlich in einem für Solingen typischen Bachtal.

Bäume und Tierschutz — wie hängt das zusammen?

Schlösser Abgestorbene Bäume, sofern sie nicht auf Wege fallen können, lassen wir möglichst stehen, damit sich Vögel und Insekten ansiedeln können. Der Schwarzspecht ist wieder flächendeckend in Solingen vertreten; und wir haben sogar wieder mehrere Uhu-Brutpaare.

Ist die Waldfläche geschützt?

Schlösser Im Landschaftsplan der Stadt sind alle Waldflächen als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, wenn nicht sogar als Naturschutzgebiet. Der Wald hat in Solingen Bestandsschutz.

Reiter und Mountainbiker, die die steilsten Waldwege suchen, Wanderer und Naturschützer, die sich wohl vor allem Ruhe wünschen, Jäger und inzwischen sogar immer mehr Schatzsucher mit GPS — bei diesem Spannungsfeld kann von einer puren Idylle im Wald mitunter keine Rede mehr sein.

Schlösser Das ist eine große Herausforderung. Jeder hat eigene Interessen. Es erfordert eine Rücksichtnahme des Einzelnen auf die berechtigten Belange der anderen. Doch oft ist es schwierig, einen Konsens zwischen den verschiedenen Waldnutzern herzustellen.

GÜNTER TEWES FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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