Offener Ganztag Eine Art „Solingen 21“ als Denkzettel für die Politik

Solingen · Die OGS-Diskussion zeigt die Hilflosigkeit der etablierten Politik – und bei den Bürgern ein gewachsenes Selbstbewusstsein.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Nach Wahlen, vor allem nach solchen, die umgangssprachlich ausgedrückt ein wenig in die Hose gegangen sind, ist es ein bewährter Politiker-Spruch: „Wir haben verstanden.“ Was man allerdings, wie die zurückliegenden Tage in Solingen gezeigt haben, wohl besser nicht zu ernst nehmen sollte. Denn die neue Diskussion um die fehlenden Plätze im Offenen Ganztag hat einmal mehr mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, wie weit selbst Kommunalpolitiker von den Sorgen der Menschen entfernt sein können.

Um nicht missverstanden zu werden: Hier geht es nicht um einfaches Politiker-Bashing. Doch die Reaktion der Verantwortlichen auf das seit längerer Zeit absehbare Loch bei der Versorgung mit Betreuungsplätzen spricht Bände. Statt beizeiten auf das Problem aufmerksam zu machen und auf den höheren politischen Ebenen Gelder einzufordern, ziehen es die Solinger Politiker vor, aufeinander loszugehen. Frei nach dem Motto: Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf.

Wobei sich gerade an dieser Stelle das ganze Elend zeigt. Denn in Wirklichkeit kann in den Solinger Parteien, egal ob CDU, SPD, Grüne oder BfS, doch niemand glauben, die Betroffenen würde es interessieren, wer von der politischen Konkurrenz wann was gesagt und sich somit angeblich falsch verhalten hat. In der Klingenstadt, die sich gerne als familienfreundliche Kommune präsentiert, fehlen zurzeit 20 OGS-Gruppen. Und für die Familien ändert sich nichts. Sie haben ein riesengroßes Problem, wenn die Betreuung des eigenen Grundschulkindes nicht sichergestellt ist und darüber hinaus in jedem Frühjahr das Bangen aufs Neue beginnt, ob man einen der begehrten OGS-Plätze erhält.

Alles in allem war der Auftakt in den Wahlkampf 2020, den wir in der vergangenen Woche erleben konnten, ein Schlag ins Wasser. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen als Hauptbeitrag der Solinger Politik zum Thema sind jedenfalls eine Enttäuschung. Die Parteien sollten demzufolge möglichst schnell die Zeichen der Zeit erkennen. Der Umstand, dass Eltern selbst an die Öffentlichkeit gehen, eine Petition starten, Lösungen von der Politik – egal welcher Coleur – fordern, zeugt nämlich nicht nur von der Dringlichkeit der Lage. Vielmehr wird auch deutlich, dass das Bürgertum aktiv wird – und zwar jenseits ausgetretener politischer Pfade. Wenn man so will, erleben wir eine Art „Solingen 21“. Es ist an der Politik, dies zu verstehen.

(or)
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