Solingen Cem Özdemir besuchte Nordstadtbüro

Solingen · Vor seiner Teilnahme am Brandanschlag-Gedenken informierte sich der Bundespolitiker über die Stadtteilarbeit.

Für Cem Özdemir ist der Besuch in Solingen keine gewöhnliche Dienstreise. "Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln meiner Arbeit als professioneller Politiker", betont der gebürtige Schwabe. Der Brandanschlag von Solingen im Mai 1993 gab für ihn den Anstoß, 1994 für den Bundestag zu kandidieren. "Ich wollte, dass jemand, der die Sprache der Familie Genç spricht, im Parlament sitzt", berichtet er den 25 Besuchern im Nordstadtbüro vor seiner Teilnahme am Brandanschlag-Gedenken. Die Eindrücke von vor 22 Jahren wirken bei dem 49-Jährigen bis heute nach. Er könne sich noch sehr gut erinnern, vor allem an die Reaktion der Familie Genç. "Es ist phänomenal, wo die Familie die Kraft hernimmt, nach dem, was passiert ist, nicht pauschal über 'die Deutschen' oder 'die Solinger' zu urteilen", sagt Özdemir. "So viel Weisheit würde ich dem einen oder anderen in meinem Berufsstand wünschen."

Fariha Ertem von der Awo Arbeit und Qualifizierung stellte dem Grünen-Vorsitzenden ein Beispiel der Arbeit im Quartier vor. Sie leitet das seit 2011 laufende Programm "Fit für Vielfalt". Es stärkt Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben und unterstützt Pädagogen bei ihrer Arbeit mit Migrantenkindern.

Neben Seminaren für Eltern und Erzieher sind niedrigschwellige Deutschkurse ein wichtiger Baustein des Programms. Die Kurse würden auch zunehmend von arabisch-sprachigen Flüchtlingen besucht, wie Fariha Ertem berichtet. Tim Kurzbach, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, appellierte an Cem Özdemir: "Die Kommunen müssen vom Bund für die Aufnahme von Flüchtlingen finanziell ordentlich ausgestattet werden".

Cem Özdemir bezeichnete die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen als eine "gesamtstaatliche Aufgabe", für die der Bund eine "finanzielle Mitverantwortung" trage. Die Kommunen dürften nicht alleine gelassen werden. Um Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und ihnen eine klare Perspektive zu bieten, fordert der Vorsitzende der Grünen von der Bundesregierung, die Bearbeitung der Asylverfahren zu beschleunigen und dafür mehr Personal bereitzustellen.

Kritik übte er am Asylbewerberleistungsgesetz. Es sei vor allem zur Abschreckung von Flüchtlingen gestaltet worden. "Je weniger attraktiv es ist, desto weniger kommen", sei der leitende Gedanke gewesen. "Aber Menschen, die aus Eritrea oder vor ISIS flüchten, denen ist das egal", so Özdemirs Einschätzung.

(bjd)
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