Solingen Busfahrer — bespuckt, bedroht, beleidigt

Solingen · Der Ton im Nahverkehr ist rau geworden. Busfahrer spüren das, wenn sie verbal und körperlich angegangen werden. In Amsterdam sammeln Fahrer Speichelproben. In NRW setzen Verkehrsbetriebe auf Deeskalation.

Der Oberbegriff klingt zunächst einmal harmlos: Als "Probleme auf dem Fahrzeug" bezeichnen die Solinger Stadtwerke alles, was im täglichen Busbetrieb von der Norm abweicht. Oft sind die Busfahrer ein Teil des Problems - weil sie von Fahrgästen beschimpft, bedroht oder bespuckt werden. Aber auch Streit unter Passagieren zählt dazu. Ganz selten kommt es laut Sprecherin Silke Rampe gar zu Übergriffen, also Handgreiflichkeiten. Vor kurzem wurden zwei Mitarbeiter der Solinger Verkehrsbetriebe in einem Bus geschlagen, im vergangenen Jahr setzte ein Passagier einem Fahrer ein Teppichmesser an den Hals, weil er aussteigen wollte. Für die Stadtwerke stellt sich damit immer wieder aufs Neue die Frage, wie sich die eigenen Mitarbeiter schützen lassen, ohne die Kunden zu vergrätzen. "Wir sind ein Dienstleister und wollen uns nicht abschotten", sagt Rampe. "Andererseits erwarten wir von unseren Fahrgästen, dass sie Gäste sind."

Den Konflikt und die Probleme kennen fast alle Verkehrsbetriebe in Deutschland, mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bei der Düsseldorfer Rheinbahn seien solche Vorfälle äußerst selten, sagt Sprecher Georg Schumacher. Zahlen kann er nicht nennen. Dennoch würde aktuell darüber diskutiert, inwieweit Fahrer von Straßenbahnen oder Bussen isoliert werden müssten - aber eher mit einer anderen Stoßrichtung. "In Straßenbahnen ist der Fahrer fast hermetisch vom Gast getrennt und damit nicht mehr wahrnehmbar", sagt Schumacher. Damit könne er aber nicht mehr in den Wagen hineinhorchen und reagieren. "Aus Kundensicht gedacht müssten doch die Belange der Gäste im Vordergrund stehen", sagt Schumacher. Er wünscht sich daher mehr Offenheit, mehr Transparenz, Fahrer müssten mehr deeskalieren, gelassener reagieren. "Wenn wir unsere Fahrer vor den Gästen schützen müssen, dann stimmt etwas nicht", sagt er.

In Solingen hat man sich zu einem Kompromiss entschlossen. In 15 von 95 Bussen werden die Fahrer durch verschiebbare Sicherheitsscheiben vor einem Angriff von hinten geschützt. Die Scheibe isoliert die Person am Steuer aber nicht vollständig, zudem kann sie selbst entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. "Künftig soll diese Scheibe fest installiert werden", sagt Rampe. "Das wird aber vor jeder Busbeschaffung neu diskutiert." Generell sei die Zahl der Probleme auf dem Fahrzeug rückläufig. Im Jahr 2013 waren es noch 30, im vergangenen Jahr 26. Um das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter zu stärken, werden auch Deeskalationstrainings angeboten. Zudem sind die Fahrzeuge wie fast überall mit Videokameras und Notfallschaltern ausgestattet, über die sofort die Leitstelle aktiviert werden kann. "Uns ist daran gelegen, dass jeder Mitarbeiter so gut wie möglich mit einer solchen Situation umgehen kann", sagt Rampe. "Nicht alle stecken das locker weg."

Deshalb gehen die Amsterdamer Verkehrsbetriebe GBV einen anderen Weg. Weil dort rund 45 Fahrer pro Jahr bespuckt werden, sammeln die Betroffenen bei solchen Attacken nun den Speichel per Wattestäbchen. Die Polizei gleicht die Probe mit der nationalen DNA-Datenbank ab und speichert sie zwölf Jahre lang. Bei Treffern müssen Videoaufnahmen den Beweis erhärten. Das Prozedere ist aufwendig und mit 800 Euro recht teuer, die ersten Fahrer sind aber schon mit den sogenannten Spuck-Kits unterwegs. In Deutschland ist ein solches Verfahren nicht möglich - hierzulande dürfen aus Datenschutzgründen keine DNA-Proben entnommen werden.

Gespuckt wird aber auch hier. Rampe führt das unter anderem auf eine zunehmende Respektlosigkeit im Miteinander zurück. Ähnliches berichten Feuerwehrleute, Rettungssanitäter oder Polizisten - sie alle sehen sich im Einsatz immer wieder verbalen, aber auch physischen Attacken ausgesetzt. Erik Dürbaum, der in der Ring-Fahrschule Erkelenz unter anderem Busfahrer ausbildet, spricht diese Themen in seinen Kursen an. "Für die Betroffenen ist das ein Spagat: Sie dürfen nicht zu weit gehen, müssen sich aber selbst schützen", sagt er. Einige Fahrer hätten ihm erzählt, sie würden das Geschehen im Bus möglichst gar nicht mehr beachten und sich nur noch auf die Straße konzentrieren. Die logische Konsequent für Dürbaum: "Auch in Bussen muss wie in U-Bahnen eine eigene Kabine für den Fahrer her. So hat man ihn außerhalb der Gefahrenlage." Schumacher von der Düsseldorfer Rheinbahn will aber von solchen Lösungen nichts wissen: "Die Gäste haben ein Recht darauf, ihren ,Kapitän' zu erleben."

(RP)
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