Serie Traditionsberufe (2) Burger Brezel doch kein Dauergebäck ?

Solingen · Weil die Nachfrage sinkt, haben sich immer weniger Bäcker auf die harte Hefebackware spezialisiert.

"Früher kam kein Kind auf die Burg, ohne dass es eine Brezel umgehängt hatte", sagt Christa Zollmarsch. "Heute zeigen sie im Laden auf die Haribo-Tüte." "Früher" ist ein Wort, das im Gespräch mit der Burger Brezelbäcker-Familie häufig fällt. Zollmarschs Vater Erich Veith hat 73 Jahre lang in der Backstube gestanden, Ehemann Hans Dieter übt seinen Beruf seit über 60 Jahren aus - seit 1966 in Burg. "Man musste sich daran gewöhnen", beschreibt der heute 75-Jährige seine ersten Brezel-Backversuche vor 50 Jahren.

Das harte Dauergebäck selbst war aber alles andere als ungewöhnlich: "Früher war ja hier jeder Zweite Brezelbäcker", blickt Sohn Ingo Zollmarsch (46) zurück. Mehr als 30 Bäcker hatten sich im 19. Jahrhundert spezialisiert. Heute sind es noch drei: zwei in Burg und einer in Wuppertal. Bei Veiths entstanden damals neben anderen Backwaren 900 bis 1000 Brezel pro Tag, an sechs Tagen in der Woche. Seit diesem Jahr produziert Ingo Zollmarsch nur noch an zwei Tagen. Mit Hilfe seines Vaters und seiner Nichte Cecile entstehen jeweils rund 600 Brezel und außerdem noch zahlreiche Zwiebacke.

"Alleine kann er das bei solchen Stückzahlen nicht", sagt Hans Dieter Zollmarsch über die aufwendige Handarbeit. "Und ein kleiner Betrieb wie unserer kann sich keine fremden Mitarbeiter leisten", erläutert Ingo Zollmarsch, der außerdem noch als angestellter Bäcker tätig ist. Frühmorgens setzen die Männer den Vorteig aus Mehl, Hefe, Wasser, Zucker, Salz und Rapsöl an. Dann folgt der Hauptteig. "Jeder Brezelbäcker hat sein eigenes Rezept."

Um sieben Uhr beginnt die Produktion: Wenn die Teige vermischt und geknetet sind, werden Ballen abgewogen, in 50 Stücke geteilt und "angestoßen" - auf zunächst höchstens zehn Zentimeter ausgerollt. Dann folgt die Feinarbeit. Der länger ausgerollte Strang wird in der Hand geformt. "Wir ,spinnen' den Knoten nicht in der Luft", erwähnt der 46-Jährige ein anderes Verfahren. Wenn alle Bleche belegt sind, kommen die Brezel über den Umweg des Gärschranks für 15 bis 20 Minuten bei rund 180 Grad in den Ofen.

Dann folgt ein Arbeitsgang, den es nur bei Veiths gibt: "Wir schrappen jede einzelne Brezel unten ab", betont Ingo Zollmarsch. "Die Poren sollen offen sein, dass die Brezel rösch bleibt." So mögen sie die Kunden der 1899 gegründeten Bäckerei. Viele Brezel gehen an gastronomische Betriebe etwa in Remscheid, Wuppertal, Leichlingen und Burscheid, die das süßliche Hefegebäck zur Bergischen Kaffeetafel servieren. "Laufkundschaft haben wir kaum", erwähnt Christa Zollmarsch. Die Bäckerei und das kleine Geschäft mit einem Türgriff in Brezelform liegen in zweiter Reihe an der Wermelskirchener Straße. Ein guter Abnehmer war lange Jahre die Torschänke an der Burg. "Damals wurden aber auch noch Besucher aus Holland busseweise hierhin gebracht. Heute gibt es viele andere Attraktionen." Die großen Brezel zum Umhängen werden deshalb nur noch auf Bestellung gefertigt - etwa mit Jahreszahl für Jubiläen und Geburtstage. Und das Wissen um das typische Backwerk wird nicht mehr von vielen geteilt - trotz der Bemühungen des Arbeitskreises Burger Brezel und des Vereins Slow Food Deutschland.

Er nahm die Brezel in die "Arche des Geschmacks" auf. "Mit Brezel verbindet jeder die Salz- und Laugenbrezel", erläutert Ingo Zollmarsch. "Und bei Burger denkt mancher Jugendliche an Fleischklopse." Da freut sich Zollmarsch über einen Stammkunden, der immer nach "harten" Brezeln fragt. Selbst mag er seine Brezel am liebsten in der Milchsuppe, "zoppt" sie aber auch gelegentlich im Kaffee. Wenn dann Gedanken an die Kiepenkerle kommen - ein Denkmal steht in Unterburg - ist das normal. "Früher sind sie über Land gegangen und haben die Brezel verkauft." Früher . . .

(flm)
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