Radevormwald Einst bunte Pracht, nun Schotterwüste

Radevormwald · Immer mehr grüne Vorgärten werden mit Steinsplitt zugedeckt. Umweltschützer sehen darin einen Grund fürs Insektensterben. Das Phänomen war jetzt auch Thema in der Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen.

 ( Dieser Garten mit blühenden Pflanzen bietet Tieren ideale Bedingungen und sieht außerdem hübsch aus. FOTO: REICHWEIN

( Dieser Garten mit blühenden Pflanzen bietet Tieren ideale Bedingungen und sieht außerdem hübsch aus. FOTO: REICHWEIN

Foto: Christoph Reichwein

Wenn Kathi Hentzschel durch die Straßen von Radevormwald spaziert, dann fällt ihr kritischer Blick immer häufiger auf Vorgärten, die einst geblüht und gegrünt haben, nun aber mit Schotter und Steinsplitt bedeckt sind. "Ein ständiges Ärgernis", sagt die Geschäftsführerin des Bergischen Naturschutzvereins. Und mit dieser Meinung ist sie nicht allein. In der Fraktionssitzung von Bündnis 90/Grüne am Montag wurde das Thema diskutiert. Kathi Hentzschel war dabei. "Wir sind uns einig, dass die Situation katastrophal ist", sagt sie.

Dabei geht es ihr und den anderen Naturfreunden nicht nur um die Ästhetik. Sie sieht auch die Folgen für die Umwelt. Schließlich wird seit Monaten vor dem rasanten Rückgang der Insektenpopulation gewarnt, was wiederum Folgen für das gesamte Ökosystem haben wird. Und Vorgärten sind für Insekten und andere kleine Tiere ein wichtiger Lebensraum.

Radevormwald: Einst bunte Pracht, nun Schotterwüste
Foto: Moll Jürgen

Doch wieso lassen Menschen, die doch großen Wert auf einen Garten am Haus legen, diese Fläche mit Steinen zudecken? "Den Kunden geht es meist darum, weniger Aufwand für die Pflege zu haben", sagt Gärtnermeister Falk Kuhn vom gleichnamigen Fachbetrieb. "Viele möchten kein Unkraut jäten oder Stauden beschneiden müssen." Seit drei bis vier Jahren sei dieser Trend stark im Wachsen.

Falk Kuhn selber hat dabei zwei Seelen in seiner Brust. "Einerseits berücksichtigen wir die Wünsche der Kunden, schließlich müssen wir uns ja gegenüber der Konkurrenz positionieren", sagt er. Andererseits sei es für einen Gärtner nicht eben erfüllend, ein Stück Boden, anstatt es zum Erblühen zu bringen, mit Gestein zuzudecken. "In unseren Fachverbänden wird dieses Thema derzeit intensiv diskutiert", sagt er. So hat der Bundesverband Garten- und Landschaftsbau (BGL) bereits im vergangenen Jahr die Kampagne "Rettet den Vorgarten!" gestartet. Auch eine Facebook-Seite zu dieser Aktion wurde online gestellt. Kathi Hentzschel sieht - getreu dem Motto "Eigentum verpflichtet" - in einer naturnahen Gartenfläche auch einen Beitrag für das Gemeinwohl, denn Naturschutz gehe alle an. "Ich bin ja der Meinung, dass man diese Schottergärten als bebaute Fläche ansehen und entsprechend besteuern sollte", sagt sie unumwunden.

 ' Hier machen nicht nur Bienen und Hummeln eine Fliege: Ein Vorgarten Marke "grau in grau". FOTO: KAISER

' Hier machen nicht nur Bienen und Hummeln eine Fliege: Ein Vorgarten Marke "grau in grau". FOTO: KAISER

Foto: Kaiser Wolfgang

Die Handhabe, die eine Verwaltung hat, um die Gärten in ihrer Stadt wieder grün zu machen, sind allerdings beschränkt, wie Burkhard Klein, Leiter des Bauverwaltungsamtes in Radevormwald, zugibt. "Höchstens besteht die Möglichkeit, um Rahmen von Bebauungsplänen festzulegen, dass bestimmte Flächen nicht versiegelt werden dürfen." Den Bürgern in die Gartengestaltung reinzureden, so weit erstreckt sich die Befugnis der Stadt allerdings nicht.

Bleibt nur, die Idee eines grünen Gartens zu propagieren und auf ein Umdenken zu hoffen. Allerdings macht sich Kathi Hentzschel wenig Illusionen. "Die Leute sind so uneinsichtig", beklagt sie.

Gärtnermeister Falk Kuhn versucht es auf dem sanften Weg. "Ich versuche jenen Kunden, die einen Steingarten wünschen, nahezubringen, dass sie einige grüne Inseln stehen lassen." Er selber glaubt übrigens nicht, dass die Liebe zum Schotter dauerhaft ist. "In einigen Jahren wird der Trend abklingen, dann werden die Steine wieder eingesammelt."

(s-g)
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