Solingen Blockade auf Gleis 1

Solingen · Trotz des Warnstreiks der Lokführer herrschte gestern Morgen am Hauptbahnhof kein Stillstand. Der Müngstener fuhr, die S-Bahn ebenso. Fahrgäste mussten massive Wartezeiten in Kauf nehmen, Nahverkehrszüge fielen aus.

Gleis 1 im Solinger Hauptbahnhof ist blockiert. Seit fünf Uhr morgens schon. „Ich mache beim Warnstreik mit“, erklärt der Lokführer der Rhein-Wupper-Bahn und blickt hinüber zu Gleis 10, an dem sich der „Müngstener“ in Richtung Haltepunkt Grünewald in Bewegung setzt. „Vermutlich ein beamteter Kollege“, mutmaßt er, „der darf nicht streiken.“ Am Bahnsteig 1 stehen derweil etliche Fahrgäste vor dem leeren Zug. „Der Rhein-Münsterland-Express nach Krefeld fährt heute abweichend von Gleis 3“, tönt es unvermittelt aus den Lautsprechern. Mit Koffern und Taschen bepackt setzen sich die Menschen in Bewegung, um in diesen Zug steigen zu können.

„So ein Mist“, entfährt es Josef Cucek. „Ein Mal im Jahr fährt man mit dem Zug – und dann das.“ Er will nach Bingen, hat sich dort gegen 10 Uhr verabredet, um ein Auto abzuholen. „Ich habe natürlich vom Warnstreik gehört und mich zuvor im Internet informiert. An der Telefon-Hotline für Fahrplanauskünfte bin ich aber nicht durchgekommen“, erzählt Cucek. Sein Zug sollte um 7.27 Uhr starten, mit einer Dreiviertel Stunde Verspätung konnte er sich immerhin in Richtung Köln aufmachen.

Auch Martin Potrykus ist gestern Morgen zum Hauptbahnhof gekommen. „Ich fahre jeden Morgen nach Köln zur Arbeit, seit 31 Jahren bereits“, sagt er gelassen. Vorsorglich hatte er am Tag zuvor in der Firma angekündigt, dass es wegen des Warnstreiks der Bahn später werden könnte. „Ich fahre normalerweise um 7.05 Uhr mit der Regionalbahn. Die ist aber oft unpünktlich, dann weiche ich um 7.15 Uhr auf den Regional-Express nach Köln aus“, sagt Potrykus. Eine weitere Lautsprecherdurchsage lässt den Solinger aufhorchen: „Die Regionalbahn nach Köln fällt wegen des Warnstreiks aus“, heißt es, Reisende nach Köln könnten aber den Intercity nach Garmisch mit ihren Nahverkehrskarten nutzen. „Den nehm’ ich“, freut sich Potrykus, der allerdings noch eine halbe Stunde Wartezeit in Kauf nehmen muss.

Nur die Rücklichter gesehen

Stillstand ist am Hauptbahnhof in Ohligs trotz des Warnstreiks der Lokführer nicht angesagt. Der Müngstener fährt, selbst die S-Bahn Richtung Düsseldorf – wenn auch zum Teil verspätet. Gegen 7.45 Uhr rattert ein Güterzug durch den Bahnhof, kurz danach, ebenfalls aus Richtung Köln, hält ein Regional-Express. Helga Wegener, die in Opladen zugestiegen war, macht sich auf den Weg von Gleis 3 zur S-Bahn nach Düsseldorf, wo sie gerade eine Weiterbildung absolviert. Und sieht wie viele andere Pendler nur noch die Rücklichter der kurz zuvor gestarteten S-Bahn: „Das ist mal wieder ärgerlich“, schimpft sie, „der hätte doch noch einen Moment warten können.“ Aber das sei immer so, auch wenn kein Warnstreik sei.

Gleichwohl bringt Helga Wegener Sympathie für die streikenden Lokführer auf: „Wenn man bedenkt, welche Verantwortung die haben und wie wenig Geld sie verdienen.“ Kurz nach 8 Uhr rollt die nächste S-Bahn ein; Helga Wegener wird trotz des Warnstreiks nicht viel später als sonst in Düsseldorf eintreffen. Bis 9 Uhr ist der Warnstreik angesetzt. Doch auch danach läuft längst nicht alles reibungslos. Züge haben nach wie vor massive Verspätungen. Auf Gleis 1 steht zudem immer noch die unbesetzte Regionalbahn. Der Lokführer wartet auf einen Anruf aus der Dienststelle Duisburg, um seine Fahrt nach Köln in Angriff nehmen zu können. „Ich weiß nicht, ob ich leer fahren oder Fahrgäste mitnehmen soll. Wenn ich Fahrgäste mitnehme, brauche ich aber einen Zugführer“, erzählt der Lokführer von seinem Dilemma. Er hatte eigentlich Nachtschicht und harrt nun seit mehr als vier Stunden auf Gleis 1 aus. „Für mich wird es jetzt langsam Zeit, ins Bett zu kommen.“

Berichte über den Streik der Lokführer www.rp-online.de

(RP)
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