Solingen BKA soll Feuerwehr gegen Gewalt schulen

Solingen · Angriffe auf Retter nehmen zu. Experten werden Kräfte im Umgang mit Angeifern unterrichten. Ein Video der Feuerwehrgewerkschaft zu dem Thema hatte bis gestern bereits 518.000 Zugriffe.

 Der Einsatz der Feuerwehr beim Großbrand auf dem Rasspe-Gelände im Januar verlief störungsfrei. Doch die Einsatzkräfte berichten inzwischen immer häufiger von Behinderungen.

Der Einsatz der Feuerwehr beim Großbrand auf dem Rasspe-Gelände im Januar verlief störungsfrei. Doch die Einsatzkräfte berichten inzwischen immer häufiger von Behinderungen.

Foto: Schüller

Den Feierlichkeiten in der morgigen Silvesternacht sehen die meisten Feuerwehrleute mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen. Denn erfahrungsgemäß haben die Einsatzkräfte zu den Jahreswechseln besonders viel zu tun - wobei es aber nicht mehr nur Brände beziehungsweise Unfälle beim Zünden von Raketen sind, die den Rettern Sorgen bereiten. Vielmehr beklagt die Solinger Feuerwehrleitung seit Jahren auch in der Klingenstadt eine Zunahme von Attacken und Übergriffen auf ihre Kollegen, so dass die Verantwortlichen nun neue Wege gehen.

Wenn ab Januar die jährlichen Sicherheitstrainings für die Feuerwehrleute durch die Polizei anstehen, werden nämlich erstmals Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) mit in die Klingenstadt kommen. Sie sollen den Einsatzkräften Tipps für das richtige Verhalten gegenüber Randalierern sowie Störern geben. Das bestätigte gestern der Sprecher der Solinger Feuerwehr, Götz Hommen, auf Anfrage unserer Redaktion.

"Wir reagieren mit diesem Schritt darauf, dass der Respekt gegenüber unseren Leuten immer weiter zurückgeht", sagte Hommen, der allein aus der zurückliegenden Zeit gleich eine ganze Reihe von Vorfällen aus dem Feuerwehr-Alltag schildern kann. So werden vor allem Rettungskräfte in ihrer Arbeit verstärkt behindert beziehungsweise sogar angegriffen.

Dabei sinkt die Hemmschwelle mancher Zeitgenossen offensichtlich rapide. Und überdies wird vielfach auf Menschenleben ebenfalls kaum noch Rücksicht genommen. Beispielsweise parkten erst vor kurzem zwei Männer in voller Absicht einen Rettungswagen zu, dessen Besatzung zu einem Patienten gerufen worden war. "Wir mussten daraufhin einen zweiten Wagen anfordern, um den Kranken abzutransportieren", schilderte Sprecher Hommen am Donnerstag die dramatische Situation, die nur deshalb relativ glimpflich ausging, weil sich die Beschwerden des Patienten im Nachhinein als nicht lebensbedrohlich erwiesen.

Das jedoch hatten die Männer, die den Transporter blockiert hatten, seinerzeit nicht wissen können, so dass der Vorfall für die beiden demnächst wahrscheinlich Konsequenzen haben dürfte. "Wenn so etwas passiert wie in dieser Situation, als die Männer einfach nicht warten wollten, bis unser Rettungswagen wieder wegfuhr, und ihn deshalb aus Ärger zuparkten, rufen wir immer die Polizei und erstattenn eine Anzeige", hieß es vonseiten der Feuerwehr.

Indes kann dies aus Sicht der Verantwortlichen kaum eine nachhaltige Lösung sein - zumal einige Täter selbst vor körperlicher Gewalt gegen die Einsatzkräfte nicht länger zurückschrecken. Dabei spielt Alkohol eine zunehmende Rolle. "Gerade im Umgang mit solchen Personen ist es darum notwendig, richtig zu reagieren", sagte Feuerwehr-Sprecher Hommen. Bei den Trainings mit den Ausbildern des BKA werden dementsprechend deeskalierende Verhaltensmaßnahmen genauso auf dem Stundenplan stehen wie Übungen, die zeigen, auf welche Weise sich die Feuerwehrleute aggressive Mitbürger vom Hals halten können.

Darüber hinaus ist die Solinger Feuerwehr inzwischen dazu übergegangen, alle Vorfälle in den jeweiligen Einsatzberichten eigens zu vermerken, um sich auf diese Weise in Zukunft einen Überblick über die Zahl der Pöbeleien, Behinderungen sowie Attacken zu verschaffen. Wobei eine Umkehr des augenblicklichen Trends wohl nur erreicht werden dürfte, wenn in der Bevölkerung ein Umdenken einsetzt. "So sollten vor allem Erwachsene, gerade an Tagen wie dem jetzt anstehenden Jahreswechsel, Jugendlichen ein gutes Vorbild sein", forderte in diesem Zusammenhang Götz Hommen, der unterstrich, die Übergriffe gingen mitnichten allein von jungen Leuten aus.

Eine Erfahrung, die auch die in Solingen ansässige Deutsche Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG) gemacht hat. Nicht zuletzt deshalb starteten die Gewerkschafter nun, kurz vor Silvester, eine Kampagne im Internet. Auf Youtube ist unter dem Titel "Respekt - ja bitte" ein Video abrufbar, in dem Feuerwehrleute ihre Erfahrungen schildern. Offenbar mit großem Erfolg. "Bis Donnerstagmittag hatten wir bereits 518.000 Zugriffe auf den Film gehabt", berichtete DFeuG-Chef Ingo Schäfer gestern.

(or)
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