Interview Marko Röhrig Betriebe müssen mehr ausbilden

Solingen · Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Remscheid/Solingen sieht zwei wirtschaftlich schwierige Jahre.

Herr Röhrig, wie geht es der Wirtschaft?

Röhrig Wir sehen keinen dramatischen Einbruch, aber wir sehen, dass es ruhiger geworden ist. Die Anzahl der Neueinstellungen ist wieder auf ein normales Niveau zurückgegangen.

Was kommt auf uns zu, womit müssen wir rechnen?

Röhrig Es stehen Tarifverhandlungen in der Stahl- und der Metall- und Elektroindustrie an. Jetzt ist unsere erste Post an die Betriebe rausgegangen. In den nächsten Wochen werden wir unsere Forderungen diskutieren, die wir dann an die Tarifkommission NRW weitergeben.

Das heißt, Forderungen stehen noch nicht fest?

Röhrig Nein, die müssen wir erst noch diskutieren.

Geht es den Unternehmen gut genug, um nennenswerte Lohn- und Gehaltserhöhungen zahlen zu können?

Röhrig Ich glaube nicht, dass wir in die Krisenzeit zurückfallen werden. 2013 und wohl auch 2014 werden schwierige Jahre. Aber ich sehe da keine dramatischen Einbrüche.

Die noch verhältnismäßig gute Lage auf dem Arbeitsmarkt soll hauptsächlich durch Zeitarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zustande kommen. Wie sehen Sie das?

Röhrig Das sehe ich durchaus ähnlich, auch für diese Region. Wir haben hier viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse und auch einige Zeitarbeitsunternehmen, von denen wir sagen können, dass sie Löhne zahlen, die nicht wirklich zum Auskommen reichen. Ich glaube aber auch, dass wir durch intelligente Tarifpolitik dagegen steuern konnten. So haben wir durchgesetzt, dass Zeitarbeiter, die in Stahlunternehmen beschäftigt sind, die gleichen Löhne und Gehälter erhalten wie ihre fest beschäftigten Kollegen. In der Metall- und Elektroindustrie gibt es ebenso deutliche Zuschläge.

Und wie ist zurzeit die Tendenz bei der Zeitarbeit?

Röhrig Sie hat in den vergangenen Wochen und Monaten etwas abgenommen. Einige Unternehmen beschäftigen gar keine Zeitarbeiter, was ebenfalls darauf hinweist, dass die wirtschaftliche Lage nicht mehr ganz so rosig ist. Denn auch hier in der Region dienen Zeitarbeiter wieder eher dazu, Auftragsspitzen abzufangen, sie ersetzen nicht Teile der Stammbelegschaft, wie das vor einiger Zeit einmal der Fall war. Und wir erleben vielfach, dass gut ausgebildete Leiharbeiter von den Firmen übernommen werden.

Zeitarbeit ist also doch eine Chance für den Arbeitnehmer, sich zu präsentieren – es gibt einen Klebeeffekt.

Röhrig Den gibt es jetzt wieder. Vor einiger Zeit hätte ich dem noch widersprochen, weil damals komplette Zweitbelegschaften in Betrieben über Leiharbeiter aufgebaut wurden. Ich glaube, das hat sich ein bisschen entschärft, auch wegen unserer Tarifverträge.

Bilden bergische Betriebe genug aus?

Röhrig Ich glaube, da könnte man noch mehr tun.

Inwiefern?

Röhrig Wir haben über Jahre beobachten müssen, dass immer weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt wurden. Viele Jugendliche blieben unversorgt und hingen in Warteschleifen. Jetzt, wo die geburtenschwächeren Jahrgänge auf den Markt kommen, passt das Verhältnis von Angebot und Nachfrage rein zahlenmäßig, aber das Angebot könnte größer sein, um eine Auswahl darzustellen. Der beste Facharbeiter ist immer noch der, den ich in meinem eigenen Unternehmen ausgebildet und den ich so frühzeitig an den Betrieb gebunden habe.

Was halten Sie von Aussagen, dass die Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen in den vergangenen Jahren schlechter geworden sein soll?

Röhrig Ich glaube nicht, dass die Jugendlichen heute dümmer sind als vor 20 Jahren. Ich glaube aber schon, dass wir an unserem Bildungssystem einiges besser machen können, was die Vorbereitung auf das Berufsleben angeht.

ALEXANDRA RÜTTGEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP/rl)
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