„Freten es jet Schönes“ Bergisch speisen – von Panhas bis Kottenbutter
Solingen · Keine Haute Cuisine, aber nahrhaft: Wo in Solingen noch typisch bergisch gegessen wird. Eine kleine Auswahl.
„Freten es jet Schönes, tweimol freten noch schöner“, schrieb Gisela Putra auf den ersten Seiten ihres Buchs „Kröppels, Schwert und Pillekuoken“. Wer alle Rezepte ausprobiert, kann fast 50-mal bergisch „freten“ – von Kottenbutter und Schnibbelsbohnensuppe über Rübstieleintopf und Panhas bis zu Heringsstipp „nach unserer Art“. Wer nicht selber kochen will oder kann, muss sich in Solinger Gaststätten mit einer kleineren Auswahl zufrieden geben – und längst nicht jedes Restaurant bietet bergische Gerichte an.
Im Haus Rüden werden noch Speisen wie Panhas und Schnibbelkuchen (mit rohen gebratenen Kartoffelstiften) zubereitet. „Das ist ein Inventar der Karte, an dem sich nicht viel ändert“, sagt Inhaber Andreas Kempen. „Vor 20 Jahren haben wir auch noch saure Bohnen angeboten. Aber heute fragt kaum noch einer danach.“ Der Koch erinnert sich daran, wie er bei einer Veranstaltung auf dem Mühlenplatz, als die Clemens-Galerien jung waren, 170 Portionen Schnibbelbohnen verkauft hat. Heute sind es eher Gerichte wie „Himmel und Erde“, die gerne bestellt werden – und nicht unbedingt typisch bergisch sind.
„Oft wünschen sich die Gäste eine Mischung, damit sie von allem probieren können“, erzählt Andreas Kempen, der selbst Linsensuppen-Fan ist („Die muss ein bisschen säuerlich sein“). Wichtig sei aber vor allem die Menge: „Für den Solinger müssen die Portionen immer sehr groß sein. Wenn nicht genug auf dem Teller ist, dann ist es nichts.“ Deshalb gibt es auch drei dicke Scheiben mit Bratkartoffeln und Salat, wenn der Gast Panhas bestellt. Den „Blutkuchen“ aus Wurst- und Fleischresten sowie Buchweizen lässt der Koch meistens von seinem Bruder Christian in Höhscheid herstellen. Im Laden verkauft der Metzger nicht mehr viel von der Spezialität, die Kochbuch-Autorin Gisela Putra „Schlachtfestpastete“ genannt hat. „Die Jüngeren kennen es nicht, und die älteren sterben aus“, kommentiert Christian Kempen.
Vegetarier wenden sich bei Panhas ohnehin mit Grausen ab. Aber auch sie bleiben in Haus Rüden nicht hungrig. „Dieses Jahr haben wir beispielsweise Buchweizenpfannkuchen neu auf die Karte genommen“, berichtet Kempen. „Auch als Angebot für Gluten-Allergiker.“ Pfannkuchen wie „Linneweber“ (mit gebratenen Kartoffelscheiben, Speckstreifen und Kräutern) seien ohnehin gefragt, Obstpfannkuchen besonders. „In zwei Monaten gehen bei uns eine halbe Tonne Waldbeeren weg. Dann ist im Bergischen Land alles leergekauft.“
Neben den Hauptgerichten ist es vor allem die Bergische Kaffeetafel, die bei Einheimischen und Auswärtigen gut ankommt. „Das hat in den letzten Jahren enorm angezogen“, berichtet Andreas Kempen, der zur Tafel eine Bedienungsanleitung reicht und danach einen Aufgesetzten „als Absacker zur Magenberuhigung“. Stark gefragt ist die Kaffeetafel auch in der Gaststätte Rüdenstein. „An Sonn- und Feiertagen bieten wir sie auch schon zum Frühstück an“, erklärt Petra Meis-Wachauf – auf Wunsch auch mit Rührei und Speck sowie mit Lachs und Reibekuchen. „Früher haben wir auch den Armen Ritter aufgetischt“, blickt sie zurück. Dafür wurden Rosinenstuten-Scheiben in Milch eingelegt und dann im Pfannkuchenteig gebraten.
„Die bergische Küche ist noch nicht ausgestorben, aber . . .“, sagt Schwiegersohn Ulf Lucassen und lässt den Satz offen. Wie einen weiteren: „Was der Bauer nicht kennt, . . .“ Der Küchenmeister der Gaststätte Rüdenstein weiß, was dennoch gefragt ist: „Kottenbutter und Buchweizenpfannkuchen laufen immer gut.“ Ebenso wie die Schnitzel mit Spiegelei oder mit Senf und Kottenwurst. Zur Abwechslung gibt es von Oktober bis Ende März auch Eintopf – von Erbsen- und Linsensuppe bis zu Rote Bete. „Es sind halt Hausfrauengerichte“, sinniert Lucassen. „Und jede Hausfrau kocht anders.“ Da laufe der Koch schon einmal Gefahr, belehrt zu werden – à la „Meine Mutter hat das aber so gemacht.“
„Wir versuchen immer mit regionalen Produkten zu arbeiten“, unterstreicht Petra Meis. Darum ist auch Klaus-Dieter Land bemüht, der Inhaber der „Kartoffelkiste“ in Höhrath. „Aber die Erntezeit ist begrenzt.“ Der Pillekuchen allerdings, eines seiner beliebtesten Gerichte, ist saisonunabhängig. Er wird hauptsächlich aus grob geriebenen rohen Kartoffeln hergestellt. Land: „Die Variante mit Speck und Schinken wird von unseren Gästen bevorzugt“. Am Wochenende steht das Pfannengericht allerdings nicht auf der Karte, weil eine zu große Nachfrage die Küche blockieren würde: „Wir haben sechs Flammen. Dann ist Schicht.“ Für vier Gäste aus Mettmann macht Land jedoch eine Ausnahme: Sie kommen sonntags schon um 11 Uhr zum Pillekuchen-Essen.
„Wir sind ja ursprünglich mit bergischen Spezialitäten gestartet“, erläutert Klaus-Dieter Land, der auch ein mehrgängiges Menü „Dinner auf berjisch“ anbietet. „Aber alleine damit kommen Sie nicht weit, obwohl manche Gäste gerne für sie unbekannte Speisen ausprobieren.“ Er schätzt, dass etwa jedes fünfte bestellte Gericht bergisch ist. „Unsere Stammgäste sind alle über 50 und Fans der deutschen Küche. Was bei uns auch gut läuft, das ist Pferdebraten – auch der Sauerbraten vom Pferd.“ Panhas steht nur sporadisch auf der Karte, Blutwurst aber ständig.