Solingen Baum an Gedenkstätte abgesägt

Solingen · 1998 wurden in Erinnerung an die Opfer des fremdenfeindlichen Brandanschlages vom 29. Mai 1993 fünf Kastanien gepflanzt. Jetzt wurde einer der Bäume abgesägt. Indes kämpfen Schüler an der Gedenkstätte gegen das Vergessen.

Die fünf jungen Kastanien, mittlerweile zu stattlichen Bäumen heran gewachsen, sollen an die Todesopfer des Brandanschlags vom 29. Mai 1993 erinnern: An Gürsün Ince, Hatice Genç, Gülüstan Oztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Vor rund elf Jahren wurden sie gepflanzt.

Jetzt ist einer der Bäume in einer feigen Nacht- und Nebel-Aktion von Unbekannten abgesägt worden — und am Ort des Gedenkens auf dem Grundstück an der Unteren Wernerstraße, wo vor dem Brandanschlag das Haus der Familie Genç stand, klafft eine bedrückende Lücke. "Wir wissen davon", heißt es von der Stadt. So bald wie möglich soll der Baum ersetzt werden, "doch wir müssen die passende Pflanzzeit abwarten."

Müll gesammelt

So lange bleibt die Lücke, die auch den Schülern und Lehrern auffiel, die gestern im Rahmen des Projektes "Heimat Europa" von der Fokolar-Bewegung und der Geschwister-Scholl-Schule zum Grundstück an die Untere Wernerstraße gekommen waren — um, rund eine Woche vor dem 18. Jahrestag des Brandanschlags, ihren Teil zum Gedenken beizutragen.

Ausgerüstet mit Handschuhen und großen Müllsäcken sammelten die Schüler der Klasse 5d den Müll vom Grundstück an der Unteren Wernerstraße. "Wir machen das, weil wir möchten, dass dieser Ort sauber bleibt", erklärten Alex, Ahmet und Timo. Die Arbeitsgruppe Weiße Rose der Geschwister-Scholl-Schule hatte den Fünftklässlern im Vorfeld erzählt, was in ihrer Stadt passiert ist, am 29. Mai 1993. "Wir haben uns darüber sehr erschreckt, denn wir wussten gar nichts davon", sagen die elfjähigen Schüler. Und haben offenbar dennoch verstanden, worum es geht: "So etwas darf nicht noch mal passieren und wir wollen auch nicht, dass die Menschen es vergessen."

Dazu soll auch der Apfelbaum beitragen, den die Jugendlichen der Projektgruppe "Heimat Europa" gestern im Bärenloch unweit des Grundstückes an der Unteren Wernerstraße gepflanzt haben. "Der Baum hat viele Blätter, sie symbolisieren Europa und die Gemeinsamkeit. Die nachwachsenden Äpfel stehen für neue Generationen und neue Ideen", sagen Modupeola Balogun, Lisa-Marie Artmann, Anastasia Nikitin, Volkan Kaya und Asli Serin. Der kleine Baum, wünschen sie sich, soll als Zeichen für ein großes Ziel, den Frieden, stehen.

Der Frieden am Ort des Brandanschlages indes scheint nach wie vor brüchig: 2010 hatten unbekannte Täter in der Nacht vor dem Jahrestag die Tafel an der Gedenkstätte mit Farbe besprüht und Flugblätter mit dumpfen Parolen einer mutmaßlichen Neonazi-Gruppe ausgelegt. Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten. Auch jetzt ist die Fassungslosigkeit über den Übergriff auf das Denkmal groß: "Das ist wirklich heftig", zeigten sich Lehrer Christian Hüsges und Grünen-Politikerin Julia Freiwald entsetzt.

(RP)
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