Solingen Bande terrorisiert Jugendliche

Solingen · Mit einem Messer am Hals oder unter Androhung von Prügel wurden Jugendliche gezwungen, Handyverträge zu unterschreiben und die Geräte dann abzugeben. Einer der Täter wurde gestern verurteilt, ein weiterer verhaftet.

„Wenn dieses Verfahren es nicht an den Tag gebracht hätte, wüssten wir nichts von dem Angst und Schrecken, der rund um den Graf-Wilhelm-Platz von diversen Gangs verbreitet wird“,, sagte Jugendrichter Joachim Schmitz-Knierim in der Urteilsbegründung. „Unvorstellbar, was für diese Jugendlichen offenbar Alltag ist, es gibt Banden, und wir Erwachsenen bekommen nichts davon mit“, erklärte der Richter weiter. „Solingen ist statistisch gesehen die sicherste Großstadt Deutschlands, doch für unsere Jugendlichen bestimmt nicht“, sagte Schmitz-Knierim abschließend. Das Verfahren, von dem er da gesprochen hatte, endete kurz zuvor mit der Höchststrafe, die das Amtsgericht aussprechen kann – vier Jahre Haft für einen 18-Jährigen, der zu einer Gang von „Libanesen“ gehörte, die in Wirklichkeit ihre Wurzeln in der Türkei hat und die vor allem andere Jugendliche rund um den „Grafen“, aber auch in Wald in Angst und Schrecken versetzte. Dabei war das Schema immer das gleiche: Jugendliche wurden gezwungen, Handyverträge abzuschließen, die wertvollen Geräte in Empfang zu nehmen und diese dann an die Bandenmitglieder abzugeben. Die wiederum behielten die Geräte als Staussymbole selbst oder machten sie in An- und Verkaufsläden zu Geld. Dort hatten sie offenbar keinerlei Schwierigkeiten, die original-verpackten Handys abzusetzen.

Die Gang-Mitglieder hatten keinerlei Schwierigkeiten in den Shops der verschiedenen Solinger Telefonanbieter, in die der Angeklagte mit seinen Freunden ihre zuvor massiv unter Druck gesetzten Opfer schickten. „Ich habe gar nichts gesagt, nur am Ende unterschrieben, meinen Personalausweis und meine Sparkassenkarte gezeigt“, sagte gestern ein 18-Jähriger als Zeuge vor dem Jugendschöffengerichts aus. Ihn hatte die Bande auf dem Weg zur Arbeit abgefangen, ihm ein Messer an den Hals gesetzt und zum Abschluss von drei Verträgen erpresst, unter anderem für ein hochwertiges i-Phone. Ein vierter Vertragsabschluss scheiterte nur, weil das Opfer bei diesem Anbieter bereits einen Vertrag sowie 600 Euro Schulden hatte. Auch andere Zeugen schilderten ähnliche Fälle, ihren Aussagen merkte man an, dass sie Angst hatten. Ein 18-Jähriger zum Beispiel erschien mit einem Anwalt im Zeugenstand, weil er im Vorfeld der Verhandlung bedroht worden war.

Mittäter genannt

Für den Angeklagten, der sich auch wegen des tätlichen Angriffs auf einen Busfahrer verantworten musste (siehe Info-Kasten) wurde es gestern eng angesichts der Zeugenaussagen. Und da griff er den Vorschlag des Staatsanwaltes auf, und nannte Mittäter, um seine Position zu verbessern. Ein Bandenmitglied konnte daraufhin gestern noch verhaftet werden. Der Schwarzafrikaner gilt als Drahtzieher. „Der hatte jede Woche ein neues Top-Handy und immer Geld“ hatte einer der Zeugen ausgesagt.

(RP)
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