Solingen "Bald ist die letzte Fläche verkauft"

Solingen · Nach den angekündigten Firmenverlagerungen unter anderem der Zentrale des Automobilzulieferers C. Rob. Hammerstein von Merscheid sowie der Firma Kronenberg nach Haan werden Stimmen lauter, bei der Entwicklung von Gewerbeflächen offensiver vorzugehen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Wirtschaftsförderung, der Unternehmer Horst Gabriel, kann diese Forderung nur unterstreichen.

 Horst Gabriel ist Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung.

Horst Gabriel ist Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung.

Foto: mak (Archiv)

Hat Solingen zu wenig geeignete Gewerbeflächen, um den Bedürfnissen von expandierenden Unternehmen Rechnung zu tragen?

Gabriel Ja, mittlerweile haben wir die bestehenden Gewerbeflächen gut verkaufen können, so dass große Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine ideale Fläche, wie sie Kronenberg in der Nachbarschaft gefunden hat, konnten wir nicht mehr anbieten.

Woran liegt das?

Gabriel Leider haben wir es in den vergangenen Jahren versäumt, weitere Gewerbeflächen zu entwickeln. Anfangs haben wir wenig Erfolg bei der Vermarktung des Piepersberg gehabt, da dachten viele, wir haben auf Jahre gut genug Fläche. In der Politik wurde auch das Augenmerk mehr auf die Entwicklung von Brachen gelegt und mögliche Gebiete gleich tabuisiert.

Befürchten Sie noch mehr Abwanderungen in Nachbarstädte?

Gabriel Wir kämpfen um jedes Solinger Unternehmen, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Das wird nicht besser, wenn man weiter abwartet. Absehbar sind auch die letzten Gewerbeflächen verkauft.

Welche Rolle spielt die Höhe der Gewerbesteuer?

Gabriel Die Gewerbesteuer ist bei der betriebswirtschaftlichen Betrachtung ein ganz wichtiger Faktor. Somit ist die Bedeutung hoch. Dagegen steht der Ruf der Stadt Solingen, der Synonym für Qualität und Solidität ist. Das ist, wie ich aus vielen Gesprächen weiß, den Solinger Unternehmern ein hohes Gut und im Zweifel noch wichtiger als der Hebesatz. "Made in Solingen" ist nicht nur eine Marke, sondern ein Mehrwert.

Als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung hatten und haben Sie doch einigen Einfluss, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen.

Gabriel Im Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderung sitzt parteiübergreifend hoher Sachverstand. Ich muss hier gar keine Weichen neu stellen. Wir sind uns sehr einig, dass wir initiativ sein müssen, um der Wirtschaft in Solingen adäquate Flächen und eine gute Infrastruktur zu bieten.

Was muss jetzt eigentlich passieren, um den Flächenbedarf in Solingen einigermaßen decken zu können?

Gabriel Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Wirtschaftsförderung müssen im Rat das Gehör finden, dass der Wichtigkeit einer funktionierenden Wirtschaft in Solingen entspricht. Es ist an der Zeit, perspektivisch zu denken und — da stimme ich Bernd Krebs von der CDU voll und ganz zu — tabulos an die Entwicklung neuer Gewerbeflächen zu gehen.

Welche Flächen haben Sie im Blick? Reicht es aus, allein nur Gewerbeflächen- beziehungsweise Baulücken zu schließen?

Gabriel Nein, natürlich nicht. Die vorhandenen Baulücken und Brachen sind nicht ausreichend groß, um zum Beispiel ein Unternehmen wie Kronenberg zu locken — an Johnson Control oder deren Zulieferer gar nicht erst zu denken.

Die Unternehmen fragen aber zumeist große, zusammenhängende Flächen nach. Kann Solingen hier überhaupt mithalten oder muss es hier mehr Zusammenarbeit mit den Nachbarstädten geben?

Gabriel Die bergische Zusammenarbeit ist mir persönlich ein großes Anliegen. Wir haben im Arbeitgeberverband und der Industrie- und Handelskammer bewiesen, dass Wirtschaft im Bergischen sehr wohl zusammenarbeiten kann. Das sollte Politik auch tun.

Das bedeutet?

Gabriel Wir haben deutlich mehr davon, ein Unternehmen in der bergischen Region zu halten, als aus falschem Stolz das Unternehmen zu vergraulen, wenn wir in Solingen nicht anbieten können. Wenn die Wirtschaftsförderer der bergischen Städte enger zusammenarbeiten würden, wäre hier sicher viel machbar. Aber im Moment sehe ich leider eher ein Auseinanderdriften.

Uwe Vetter führte das Gespräch.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort