Landpartie – Neue Touren für Entdecker Auf dem Klingenpfad rund um Solingen

Solingen · Auf knapp 75 Kilometern umläuft der Weg die bergische Stadt. Wer dem umkreisten weißen „S“ auf schwarzem Grund folgt, kann besondere Ausblicke genießen.

Auf dem Solinger Klingenpfad
9 Bilder

Auf dem Solinger Klingenpfad

9 Bilder
Foto: Bauch, Jana (jaba)

„Wer Solingen kennenlernen möchte, sollte das nicht nur auf den Straßen tun, sondern auch auf den Klingenpfad gehen.“ Helmut Seelig muss es wissen: Er absolviert einmal im Jahr mehrere Etappen der 75 Kilometer langen Strecke. Mit durchschnittlich sechs  bis sieben Kilometern pro Stunde geht es in einer Gruppe auf den Klingenpfadlauf. Dabei machen sich Ultraläufer am Gräfrather Marktplatz am frühen Morgen auf den Weg, um nach etwa zwölf Stunden dorthin wieder zurückzukehren. Spaziergänger hingegen werden die Distanz kaum an einem Tag schaffen.

„Einige Teilnehmer nehmen eine weite Anreise auf sich, um dabei zu sein – und wir bekommen immer wieder zu hören, dass sie die Landschaft genießen und gerne einmal länger Urlaub im Bergischen machen würden“, sagt Seelig. Für ihn zeigt die Reaktion der Mitläufer, dass der vor 83 Jahren angelegte Rundwanderweg nicht nur für Einheimische seinen Reiz hat. Der 60-jährige Hobbyathlet und die Mitstreiter aus dem Organisationsteam kennen den Klingenpfad aus dem Effeff. Als Nicht-Ortskundiger jedoch muss man schon genauer hinschauen, um kein „S“ zu übersehen – denn das Symbol auf dem gut ausgeschilderten Weg weist oft nicht die Richtung, die der Wanderer erwarten würde. Es geht so gut wie nie auf direktem Weg von A nach B – vielmehr locken reizvolle und einsame Umwege.

Rasten im Haus Müngsten

Beispiel Müngstener Brücke: Vom Bahnhof Schaberg, einem Haltepunkt der S-Bahn-Linie 7 (Solingen – Remscheid – Wuppertal) führt der eigentliche Weg den Berg hinab in Richtung Brückenpark mit einer einladenden Gastronomie im Haus Müngsten, einem Kiosk mitsamt Minigolf-Anlage und der Schwebefähre, mit der Wanderer, Radfahrer und Spaziergänger per Muskelkraft auf der Wupper übersetzen können. Nur ein kurzes Stück ist der Klingenpfad identisch mit einem Erlebnisweg und seinen diversen Spielgeräten. Die bekannteste Solinger Wanderstrecke allerdings biegt früh rechts ab und führt nach nur kurzer Zeit unter einem der gigantischen Pfeiler der 1891 fertiggestellten Brücke hindurch. So nah kommt man dem Bauwerk, das Weltkulturerbe werden soll, an keiner anderen Stelle. Der Längsblick fällt derzeit nur nicht so imposant aus, wie er normalerweise sein könnte. Teile der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands sind eingehüllt für einen neuen Anstrich.

Selbst im Hochsommer, wenn der Wald dicht belaubt ist, ergibt sich immer wieder ein anderer Blick auf den Stahlkoloss. Man spaziert nahezu auf gleicher Höhe mit der 107 Meter hohen Müngstener Brücke, um schließlich an einem Pavillon die wohl schönste Aussicht auf das Wahrzeichen des Bergischen Landes genießen zu können.

Ein Rundweg aus der NS-Zeit

Direkt in der Nähe steht auch einer der beiden Klingenpfad-Gedenksteine, der noch aus der Zeit stammt, als der Rundweg nur 60 Kilometer lang war. Angelegt wurde er in den Jahren 1932 bis 1935 von Arbeitslosen im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des nationalsozialistischen Regimes. Seine heutige Länge erlangte er erst, als die Gemeinde Burg im Jahr 1975 eingemeindet wurde. Knapp 15 Kilometer sind so als Erweiterung hinzugekommen – und es ist zugleich die schönste Etappe entstanden. Dabei werden weder Unterburg noch Schloss Burg als Attraktion der Region direkt angesteuert. Vom Parkplatz Lehmkuhle aus ist es nur ein Katzensprung bis zu einer Lichtung, die den Blick auf den Bergfried freigibt. Schloss Burg bleibt jederzeit präsent – insbesondere an der Stadtgrenze zu Wermelskirchen im Bereich Hummelsburg, wo der Turm der historischen Anlage eingebettet ist in Wiesen und die Hänge der Wupperberge. Nirgendwo sonst gibt es den Blick von oben auf den ehemaligen Stammsitz der Grafen von Berg.

„Man merkt, dass sich derjenige, der den Klingenpfad entwickelt hat, Gedanken gemacht hat, um ein Naturerlebnis zu schaffen“, sagt Helmut Seelig. Wer hier wandert, wird auf den oftmals entlegenen Wegen höchstens an Wochenenden oder Feiertagen eine größere Anzahl Gleichgesinnter treffen. „Nur in den Bereichen, die touristisch erschlossen sind, sind viele Spaziergänger unterwegs“, sagt der Burscheider. Dazu gehört das Gebiet rund um die Sengbachtalsperre oder die Ohligser Heide. Natur pur lautet das Prinzip auf den vom Charakter her ganz unterschiedlichen Etappen durch die Wupperberge, entlang von Bachläufen, vorbei an alten Kotten oder durch Hofschaften hindurch.

Tolle Ausblicke entlang des Weges

Dazu geht es an vielen Stellen auch mal steil bergauf oder bergab. Gutes Schuhwerk und Trittsicherheit sind daher wichtig. Die Königsetappe führt von Glüder nach Widdert mit 400 (Steigung) beziehungsweise 313 Höhenmetern (Gefälle) rund um den Pfaffenberger Kopf mit schönen Ausblicken nach Witzhelden. Über der Hofschaft Balkhausen thront die Burg Hohenscheid rund 100 Meter über der Wupper.

Für Helmut Seelig zählt Burg Hohenscheid zu den schönsten Blickwinkeln des Klingenpfades – auch weil der Weg hier auf halber Höhe durch den Wald führt und zugleich ein Panorama auf die Rheinebene freigibt. Auf den weiteren Etappen liegen viele Orte, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Die ehemaligen Freibäder Schellbergtal und Aufderhöhe zum Beispiel oder das Stadion in Ohligs, das einmal Heimstätte war von Union Solingen in der Zweiten Liga. Fußball wird am Hermann-Löns-Weg schon seit Jahren nur noch auf dem Kunstrasenplatz nebenan gespielt. Dieser wird in Kürze allerdings genauso weichen müssen wie die Tribüne, die Flutlichtmasten und der Naturrasen, auf dem jetzt Schafe grasen.

Nach 75 Kilometern ist der Gräfrather Markplatz mit seinem Fachwerkhäuser-Ensemble wieder erreicht. Ein Ort, der viel zu nett zu ist, um ihn gleich wieder zu verlassen, ohne irgendwo eingekehrt zu sein. Wer noch Kraft hat, auf den warten noch das Klingenmuseum, die große Freitreppe zur Klosterkirche oder das Kunstmuseum samt integriertem Zentrum für verfolgte Künste.

Noch mehr Tipps für den Ausflug

Anreise Je nach Lage eines Start-/Zielpunktes der neun Klingenpfad-Etappen kommt für die Anreise mit eigenem Auto ein anderer Autobahn-Anschluss infrage. Über die Ausfahrt „Haan-Ost“ (A46) ist der Stadtteil Gräfrath sowie das Ittertal am schnellsten erreichbar. Unterburg, Höhrath und das abgelegene Glüder sind über „Wermelskirchen“ (A1) am besten angebunden. Von der Autobahn 3 (Ausfahrt Solingen / Langenfeld) sind es nur wenige Kilometer bis zu den südlichen Punkten in Ohligs, Aufderhöhe und Widdert. Kohlfurth liegt an der Landesstraße 74, die vom Sonnborner Kreuz (A46) abzweigt.

Bus & Bahn Jede Etappe ist in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar: Gräfrath (Bus 683), Kohlfurth (CE 64), Unterburg (Bus 683), Glüder (Bus 252), Widdert (Bus 684), Aufderhöhe (Busse 685, 686, 691, 693, 694), Ohligs / Engelsberger Hof (Busse 691, 791), Ittertal (Bus 692).

Rast Die Einkehrmöglichkeiten entlang der Strecke sind rar gesät – oder sie liegen etwas abseits der eigentlichen Route. Eine größere Auswahl an Restaurants und Gaststätten bietet sich am Gräfrather Marktplatz. Weitere lohnenswerte Rastziele sind unter anderem das Café Hubraum in Kohlfurth (www.cafe-hubraum.de), die Kartoffelkiste in Höhrath (kartoffelkiste.de; nur freitags bis sonntags geöffnet), das Restaurant & Bistro Pfaffenberg (www.gastro-pfaffenberg.de), das Restaurant Wipperaue (www.wipperaue.de), die Taverne Katogi im Bergischen Hof (www.bergischerhof-solingen.de), die Schlesische Schänke im Engelsberger Hof (schlesische-schaenke.de) oder die Heidberger Mühle im Ittertal (www.heidberger-muehle.de).

Übernachtung Der Klingenpfad bietet eigentlich alles, was eine passionierte Wandergruppe sucht – nur kaum Herbergen direkt am Wegesrand. Einzig Gräfrath und Burg mit einigen Hotels und einer Jugendherberge (nur bis September 2018) sind diesbezüglich touristisch ausgerichtet. Ein Gastgeber-Verzeichnis rund um Solingen bietet die Internetseite www.die-bergischen-drei.de.

Für Industrie-Historiker Zum Zentrum der Klingenherstellung hat sich Solingen im 14. Jahrhundert entwickelt. In dieser Zeit entstanden in den Fluss- und Bachtälern Kotten als Arbeitsstätten der Schleifer. Zwei dieser Baudenkmäler lohnen einen Abstecher. Im Fachwerkstil des 18. Jahrhunderts wiedererrichteten Balkhauser Kotten ist ein Schleifermuseum untergebracht (Di bis So 10-17 Uhr). Wenige Kilometer flussabwärts bei Leichlingen liegt der Wipperkotten, die letzte Doppelkotten-Anlage von ehemals 26 dieser Art an der unteren Wupper. Hier erwartet den Besucher eine Sammlung historischer, handgearbeiteter Werkzeuge und Geräte. Besichtigung nur nach Vereinbarung (0212 811682 oder 800305, wipperkotten@web.de).

Für Nostalgiker Wenn sich eine der fünf funktionstüchtigen Straßenbahnen auf dem Gelände der Bergischen Museumsbahnen in Wuppertal-Kohlfurth in Bewegung setzt, klingelt, quietscht und brummt es wie in alten Zeiten. Von April bis Oktober ist jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat Fahrtag (ab 10.40 Uhr). Von der alten Kohlfurther Brücke geht es durch das Kaltenbachtal bis zum Naturfreundehaus in Cronenberg – und zurück. Fahrkarten sind beim Schaffner für 5 Euro (Hin- und Rückfahrt), 3,50 Euro (einfache Fahrt) oder 9 Euro (Tageskarte) erhältlich. Kinder bis 16 Jahre gratis. Der Betriebshof ist an Fahrtagen sowie samstags von 11 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen.

Für Sportliche Ambitionierte bewältigen die ganze Strecke am Sonntag, 5. August, beim Klingenpfadlauf an einem Tag. Langstrecken- und Hobbyläufer können nur eine oder mehrere der zwölf Etappen von vier bis etwa zehn Kilometer Länge absolvieren. Unterwegs gibt es Verpflegungspausen, zudem ist ein kostenloser Rücktransport ab Sportplatz Oberburg oder der Station Oelmühle zum Marktplatz in Gräfrath organisiert. Startgebühr zwischen 9 bis 22 Euro – je nach Etappen-Zahl: www.klingenpfadlaufsolingen.wordpress.com.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Ein Haus im See
Landpartie – Neue Touren für Entdecker Ein Haus im See