Reportage Auf ein Essen und einen Plausch im Amt

Solingen · Die Kantine in der Finanzverwaltung gilt als Geheimtipp. Sie lebt von den Mitarbeitern und den Gästen, die jeden Tag herkommen.

Margit, Helga, Kurt und Manfred sind jeden Mittag die ersten Kunden in der Kantine des Finanzamts. Schon vor 12 Uhr nehmen sie ihren Stammplatz ein, nah an den Tabletts und direkt neben dem Kaffeeautomaten sitzen sich die vier gegenüber und plauschen. Während die Mitarbeiter der Finanzverwaltung noch in ihren Büros arbeiten, bestellen sich die Rentner ihr Mittagessen: Heute kommen Hähnchen mit Kartoffelrösti, Auberginen mit Fleischfüllung und eine deftige Gulaschsuppe auf den Teller.

Die Vier sind nicht die einzigen Gäste der Kantine mit Blick auf die geschäftige Goerderlerstraße. Rund 90 rote und schwarze Stühle stehen für die Hungrigen bereit, drei lange Tische sind für die Mitarbeiter des Amts reserviert. Die sollen schließlich auch einen Platz finden, wenn sich hier Senioren, Eltern mit Kindern und Berufstätige aus der Umgebung auf ein Mittagessen treffen. Nach und nach versorgen sie sich mit Tabletts und Besteck, suchen sich Salat und Dessert, Tagesgericht oder Dauerangebot aus, greifen zu Apfelschorle oder Kaffee.

Das Essen bereitet das Team um Kantinenchef Paulo Domingues zu. Vor vier Monaten hat der gebürtige Portugiese die Kantine übernommen, bietet jeden Tag ab 7.30 Uhr Frühstück und bis 15 Uhr Mittagessen für Mitarbeiter und Gäste an. Zuvor hatte das Ehepaar Ewa und Christian Brackelmanns die Kantine geführt. Die beiden wurden als Pächter vom Landesamt für Besoldung und Versorgung nach Düsseldorf abgeworben.

Ein wenig teurer sei das Angebot geworden, sagen die vier Stammkunden. Dennoch sei der Preis einer der Gründe, warum sie gerne dort essen. "Die Getränke machen den Unterschied. Ein Pott Kaffee und ein Wasser kosten jeweils nur einen Euro. Da zahle ich im Lokal das Doppelte", meint die 87-jährige Helga. Salate können sich die Kunden ab 1,50 Euro selbst zusammenstellen, die klassischen Gerichte wie Spaghetti Bolognese, Currywurst und Schnitzel gibt es immer. Zusätzlich stehen immer fünf Tagesgerichte zur Auswahl, darunter auch saisonale Besonderheiten wie Gänsekeule mit Klößen und Rotkohl. An diesem Tag scheint vor allem die Gulaschsuppe gut zu laufen, schon um halb eins wischt eine Mitarbeiterin das Angebot von der Tafel.

Eine vergleichbare Alternative gibt es für Margit, Helga, Kurt und Manfred nicht. Ab und zu geht Margit, 67 Jahre alt, in die Kantine eines Altenheims, aber ihren Stammplatz hat sie hier. Und als echte Stammkunden, sagt der 87-jährige Kurt, bekommen sie manchmal Geheimtipps vom Personal, welches der Tagesgerichte besonders empfehlenswert ist. Das Essen schmeckt ihnen aber fast immer, sonst wären die vier Senioren schon keine Stammkunden mehr. Und weil sie sich auch mit den Mitarbeitern so gut verstehen, hoffen sie heimlich auf ein Weihnachtsgeschenk. "Vielleicht bekommen wir ein leckeres Essen", scherzt Kurt. "Wir sind schließlich immer die ersten hier."

Und das wird sich so schnell nicht ändern: Das Grüppchen trifft sich weiterhin an fünf Tagen in der Woche auf ein Mittagessen und einen Plausch im Finanzamt. "Wir sind einfach eine lustige Truppe", sagt Margit, 67 Jahre alt. "Wir sitzen jeden Tag hier und lachen uns kaputt." Für die vier - Margrit, Kurt, Helga und Manfred - ist das Essen in der Kantine in jedem Fall mehr als nur ein Essen.

(veke)
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