Solingen Arbeitsplätze contra Umweltschutz

Solingen · Die Debatte um neue Gewerbegebiete entwickelt sich im Ittertal zu einem handfesten Konflikt. Eine Bürgerinitiative formiert sich. Die Stadt will der Politik ein "kommunales Gewerbeflächenkonzept" präsentieren.

Wasser plätschert über einen Stein im Baverter Bach, der unterhalb bei Schloss Caspersbroich in Ohligs in den Itterbach mündet. Luftblasen kräuseln sich, umspülen Herbstlaub an der Uferböschung. Idylle pur im Ittertal an der Stadtgrenze zu Haan. Doch die ist getrübt. "Rettet das Ittertal" schlägt eine Bürgerinitiative Alarm. "Eine unserer wichtigsten grünen Lungen in Solingen ist in Gefahr." Denn die Stadt habe für die neue Regionalplanung etliche Flächen für die Ausweisung als Gewerbegebiete angemeldet, darunter Keusenhof, Buschfeld, Fürkeltrath II und Piepersberg-West im Bereich des Ittertals.

Naturschutz oder neue Gewerbeflächen? — im Ittertal staut sich Konfliktpotenzial auf zwischen Umweltschutz und Anwohnerbefürchtungen sowie Unternehmergeist und der Sorge um Arbeitsplätze.

Eile ist indes geboten für die Entwicklung und Ausweisung neuer Gewerbegebiete, denn die Flächen, die von der Wirtschaftsförderung derzeit noch offeriert werden können, neigen sich auch wegen der jüngsten Verkaufserfolge der Stadt mehr und mehr dem Ende zu.

"Wir müssen jetzt zeitnah neue Gebiete ausweisen", fordert der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Wirtschaftsförderung, Horst Gabriel, mit Blick auf die aus seiner Sicht derzeit ohnehin nur noch spärlich vorhandenen Reserveflächen im Umfang von zwölf Hektar im gesamten Stadtgebiet. Die Wirtschaftsförderung hat mit Fürkeltrath II in A 46-Nähe in Gräfrath oberhalb des Ittertals und unter anderem in Schrodtberg in der Kohlfurth an der Stadtgrenze zu Wuppertal mit zusammen sieben Hektar Unternehmens-Ansiedlungsfläche planerisch auf den Weg gebracht.

Derlei Plänen wären im Ittertal ohnehin nicht Tor und Tür geöffnet. "Das Ittertal ist zum großen Teil Landschaftsschutzgebiet", sagt Dr. Klaus Strehlau. Der Leiter des Stadtdienstes Natur und Umwelt verweist auf den Solinger Landschaftsplan, der diesen Schutz für einige Flächen des Tales des Itterbachs allerdings nur temporär ausweist; und zwar bis zur Festlegung einer Bauleitplanung.

Diese könnte Bebauung heißen — welcher Art auch immer, erklärt Strehlau die Situation. Dennoch wären nach seinen Worten einer Flächenentwicklung im Umfeld eines Landschaftsschutzgebietes von vornherein einige Grenzen gesetzt. Größere Industriebetriebe wären dort beispielsweise nicht zu realisieren. Doch die Debatte um die Ausweisung neuer Gewerbeflächen ist längst gestartet. "Die Dinge sind im Fluss", sagt der städtische Umwelt-Fachmann Strehlau. In einer der nächsten Sitzungen des Planungsausschusses im neuen Jahr soll ein "kommunales Gewerbeflächenkonzept" präsentiert werden. Inhalt: Alle noch freien Flächen für Betriebe im Detail — von der Baulücke bis zum größeren Gebiet, sei es in öffentlicher oder in privater Hand.

Zugleich soll demnächst ein Gutachter im Auftrag der Stadt alle angedachten Gewerbeflächen unter Umweltgesichtspunkten genau unter die Lupe nehmen. Mit Ergebnissen der Untersuchung ist in der ersten Jahreshälfte 2013 zu rechnen.

Für den Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes (AGV), Hans-Peter Pollmann, ist die Entwicklung weiterer Gewerbeflächen im Stadtgebiet unabdingbar. "Wenn man keine Flächen anbieten kann, hat der Wirtschaftsstandort null Chancen", meint Pollmann. Er verweist in diesem Zusammenhang auf einige Unternehmen, die der Klingenstadt mangels Gewerbeflächenangeboten den Rücken gekehrt haben und sich in der Nachbarstadt Haan ansiedeln. "Jüngstes Beispiel ist die Firma Kronenberg", so der AGV-Geschäftsführer. Und auch der — zwar verschobene — Umzug des Automobilzulieferers Johnson Controls beziehungsweise CRH, ebenfalls nach Haan, ist für ihn Beleg dafür, dass Solingen keine ausreichenden beziehungsweise geeigneten Gewerbeflächen diesem Unternehmen bieten konnte.

(RP/rl)
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