Solingen Angst vor kalter Vertreibung

Solingen · Im Herbst wechselten in Solingen rund 750 LEG-Wohnungen den Eigentümer. In einer Siedlung an der Katternberger Straße fürchten Alt-Mieter um ihre Heimat. Jetzt gründeten sie eine Interessengemeinschaft.

Irgendwer hat das Staniolpapier eines Schokoriegels auf die vermooste Rasenfläche geworfen – und auch ansonsten macht die Siedlung aus den 50er-Jahren nicht eben den besten Eindruck. Der Putz der Häuser an der Katternberger Straße ist schmutzig-braun, einige leere Fensterhöhlen starren den Besucher abweisend an. "Das ist hier jetzt seit einigen Monaten ganz normal", sagt eine Frau die es wissen muss. Schon seit 1981 wohnt die Rentnerin in einem der Häuser Katternberger Straße 251 bis 275a, die früher der Landeentwicklungsgesellschaft (LEG) gehörten. Doch seit Herbst ist alles anders. Die Landesregierung verkaufte NRW-weit 93 000 Wohnungen an den Immobilienfonds Whitehall der US-Bank Goldman Sachs. In Solingen waren etwa 750 Mieteinheiten betroffen – und hört man den Bewohnern an der Katternberger Straße zu, dann hat man den Eindruck, als würden schlimmste Befürchtungen wahr.

Angst vor neuen Mietern

"Niemand kümmert sich mehr um die Sorgen der Mieter", klagt die Mieterin, die sogar schon Hundedreck im Treppenhaus gesehen haben will und nun mit Nachbarn einen Interessengemeinschaft gegründet hat. Gleichwohl, ihren Namen möchte sie vor allem aus Angst vor neuen Mitbewohnern, die hier seit Herbst eingezogen sind und "so gar nicht hierhin passen", nicht nennen. Die Vermutung der Alt-Mieter: Mit Hilfe sozial schwächerer Nachbarn könnten sie zunächst vertrieben werden, um – nach einer Sanierung – Platz zu schaffen für kaufkräftigere Neu-Bewohner. In der Siedlung grassiert die Furcht vor einer kalten Vertreibung.

Ängste dieser Art versucht man bei der heutigen Whitehall-Tochter LEG natürlich zu entkräften. Von einer Vertreibung der alten Mieter aus der ehemaligen Post-Siedlung könne gar keine Rede sein. "Wir wollen unsere langjährigen Mieter halten und achten bei Neubelegungen darauf, dass die Mischung stimmt", erklärt eine Sprecherin. Auch die Mieterin selbst bestätigt: "Alle, die 60 oder älter sind, haben beim Eigentümerwechsel lebenslanges Wohnrecht bekommen." Doch eine andere Nachbarin, die ebenfalls bereits Jahrzehnte an der Katternberger Straße lebt, fragt sich schon, "was das eigentlich wert ist".

Denn seit ein paar Monaten werden einige der Häuser tatsächlich renoviert – und seitdem macht eben das böse Wort von der Luxussanierung in der Siedlung die Runde. Die LEG-Sprecherin widerspricht energisch: "Davon kann keine Rede sein. Wir dämmen die Häuser neu – so werden die Heizkosten geringer." Gleichwohl gibt sie aber zu, dass es im Zuge dieser Modernisierung zu "Mieterhöhungen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen" kommen kann.

Beim Mieterbund Rheinisch-Bergisches Land hat man die Siedlung jedenfalls auf dem Schirm. "Es gibt Beschwerden über notwendige Reparaturen an Fenstern, die verzögert werden", berichtet die Vorsitzende Gerlinde Rothlübbers. Zuletzt hatte die Rechtsanwältin öfter hier draußen in Höhscheid zu tun und dabei festgestellt, dass das Klima in der ehemaligen Post-Siedlung schlechter geworden ist. "Sieben Parteien sind zuletzt ausgezogen", erzählt Rothlübbers. Eine Zahl, die man auch bei der LEG bestätigt. Allerdings stünden zur Zeit nur wenige Wohnungen leer und überdies gebe es sogar eine Warteliste für Neumieter.

(RP)
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