Solingen Aktionstag: Keine Angst vor Erster Hilfe

Solingen · Passanten frischten gestern auf dem Bremsheyplatz in Ohligs ihre Kenntnisse in Erster Hilfe auf.

Zögerlich nähern sich Passanten der Krankenliege und beobachten, wie ein Einzelhändler aus der Nachbarschaft an einem Dummy die Herzdruckmassage übt. "Kommen Sie ruhig näher, wir beißen nicht", ruft Dr. Bernhard Plath, ärztlicher Leiter der zentralen Aufnahmeeinheit an der St. Lukas Klinik, den Zuschauern zu. Auch mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, vor aller Augen meine Fähigkeiten in Erster Hilfe auszutesten und dabei womöglich Fehler über Fehler zu machen. Umso erleichterter bin ich, als Marco LoGrande, Rettungsassistent der Malteser, einige Meter neben dem Pulk noch eine zweite Liege aus einem Rettungswagen holt und eine Testpuppe darauflegt.

"Alle zwei Jahre sollte man sein Wissen testen und aktualisieren", sagt LoGrande und legt damit den Finger in die Wunde: Denn auch mein letzter Kurs in Erster Hilfe liegt schon länger zurück. "Es ist fast die Regel, dass sich Leute sogar über Jahrzehnte hinweg nicht mehr weitergebildet haben", sagt Simone Hoch, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). "Dabei kann ein plötzlicher Herzstillstand doch jeden treffen, egal ob beim Spaziergang, am Steuer eines Autos oder bei der Arbeit." Prompt berichtet eine Frau am DRK-Stand, wie sie kürzlich ihren Zahnarzt wiederbelebte, nachdem er während der Arbeit zusammengebrochen war.

Um das Bewusstsein der Bevölkerung zu wecken, Fragen zur Ersten Hilfe zu beantworten und Einblicke in die Arbeit der Rettungsdienste zu geben, haben an diesem Tag Vertreter des Malteser Hilfsdienstes, des DRK und der St. Lukas Klinik am Bremsheyplatz in Ohligs ihre Zelte aufgebaut. Bundesweit gibt es derzeit vergleichbare Aktionen zur "Woche der Wiederbelebung." Ich trete an die Liege mit der Puppe heran und krame in meinem Gedächtnis: "Erst muss ich testen, ob der Mensch ansprechbar ist, atmet und prüfen, ob das Herz noch schlägt." "Den Puls müssen Sie nicht fühlen, das kostet zu viel Zeit", korrigiert Dr. Plath. Zunächst setzte ich eine intakte Atmung voraus und versuche, wenn auch etwas unsicher, die Puppe in die stabile Seitenlage zu bringen.

"Nicht vergessen, den Kopf zu überstrecken, um die Atemwege frei zu halten", erinnert mich der Notarzt. Dann simulieren wir das Fehlen von Vitalfunktionen: Ich setze meine Handballen auf dem Brustkorb des "Patienten" auf und übe so fest wie möglich Druck aus. 100 bis 120 Mal pro Minute sollte der Ersthelfer drücken. "Das bringt doch nichts, der Mann ist eh schon tot", höhnt ein Passant im Vorbeigehen. "Falsch", antwortet Plath: "Gerade die sofortige Laienreanimation verdoppelt oder verdreifacht die Überlebenschance." Schon nach fünf Minuten ohne Herzmassage sinkt die Hoffnung auf Rettung rapide.

"Das kostet schnell viel Kraft", kommentiert Marco LoGrande meine angestrengte Mimik und demonstriert, wie der Ersthelfer den Druck mehr mit dem ganzen Oberkörper und weniger aus den Armen heraus aufbauen kann. "Nach zwei Minuten sollte, wenn möglich, jemand anders die Herzdruckmassage übernehmen", rät Dr. Plath.

Das Unbehagen vor einer möglichen Mund-zu-Mund-Beatmung mit einem fremden Menschen nimmt er mir: "Studien zeigen, dass die Herzdruckmassage ohnehin wesentlich wichtiger ist als die Beatmung." Wenn ich nun aber den Brustkorb verletze? "Diese Sorge vieler Menschen ist völlig falsch", stellt Simone Hoch klar. "Alles, was vielleicht kaputtgeht, kann man wieder reparieren", ergänzt Plath. "Aber wenn jemand an Herzversagen gestorben ist, ist es zu spät."

(ied)
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