Ansichtssache Abstimmung mit den Füßen

Eigentlich würde sich kaum ein Thema besser für den Landtagswahlkampf eignen wie die Frage, ob Schüler nach acht oder neun Jahren auf weiterführenden Schulen das Abi machen. Eigentlich - doch zur Wahrheit gehört auch, dass sich alle maßgeblichen Parteien in NRW in den zurückliegenden Jahren bei dem Thema nicht mit Ruhm bekleckert haben.

Zur Erinnerung: Es ist gerade etwas über ein Jahrzehnt her, da verständigten sich die Landtagsfraktionen 2004 auf die Schulzeitverkürzung an Gymnasien. Als Begründung dafür hielt seinerzeit das Streben nach einem "verantwortungsvolleren Umgang mit der Lebenszeit unserer Kinder" her. Was, mit Verlaub, ein ziemlicher Euphemismus war und nur den Mainsteam damals mit schönen Worten ummantelte. Denn in Wirklichkeit ging es darum, dem Drängen von Wirtschaftsverbänden nachzugeben, die jüngere Berufseinsteiger forderten. Der Rest ist bekannt: Schwarz-Gelb führte das Turbo-Abi ein, Rot-Grün übernahm das Erbe. Und beide Lager versäumten es, Lehrpläne anzupassen sowie genug Lehrer einzustellen - während im Bund mit Diskussionen um ein höheres Renteneintrittsalter ebenfalls die "Lebenszeit unserer Kinder" ein Thema war.

Doch Sarkasmus ist fehl am Platze. Denn viele Solinger Eltern zeigen inzwischen mit einer Abstimmung mit den Füßen, was sie von all dem halten. Es ist fraglich, ob eine umfassende Rückkehr zu "G 9" die Lösung ist. Modelle wie jenes der Landesregierung oder der FDP-Ansatz, der den Gymnasien die Wahl einräumen will, könnten Ansätze sein. Wenn endlich mehr Personal vorhanden ist. An Solinger Gymnasien ist es Alltag, dass Unterricht massenweise ausfällt. Die Kinder und die Schulen, an denen ansonsten sehr gute Arbeit geleistet wird, haben besseres verdient.

martin.oberpriller@solinger-morgenpost.de

(or)
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