Solingen 4009 Pfeifen aus dem Ärmel geschüttelt

Solingen · Dank der Spenden der Konzertbesucher hat die große Klais-Orgel im Konzertsaal eine neue dynamische Steuerung bekommen.

Eigentlich waren sie tot: die städtischen Orgelkonzerte im Konzertsaal. Nachdem zuletzt nur noch rund zehn Zuhörer kamen, wurde die Reihe 2005 eingestellt. So fiel die große Orgel in einen Dornröschenschlaf und drohte zu verfallen. Aber wie das manchmal so ist, erwiesen sich die Totgesagten als äußerst lebendig. Im November 2008 konnte Organist Roland Winkler die Konzertreihe erfolgreich wiederbeleben. "Pro Konzert zählen wir jetzt 100 bis 150 Besucher", sagt er. Der Eintritt zu den Konzerten ist frei, die Solisten spielen ohne Honorar. Es wird nur um eine Spende zum Erhalt der Orgel gebeten.

"Davon finanzieren wir die jährliche Wartung der Orgel", erläutert Winkler. "Da es aber so viele Besucher und somit viele Spenden gibt, ist einiges übriggeblieben." Von diesem Geld wurde nun in dieser Woche ein neuer, elektronisch gesteuerter Mechanismus für den Schweller eingebaut.

Bei den meisten Orgeln gibt es einen sogenannten Schwellkasten. Das ist ein geschlossenes Gehäuse, in dem Pfeifen und Register untergebracht sind. Durch hölzerne Lamellen lässt sich dieser Kasten öffnen und schließen, so dass die Töne mal lauter und mal leiser klingen können. "Seit rund 20 Jahren funktioniert das hier nur sehr unbefriedigend." Im Prinzip gab es da nur zwei Optionen: auf oder zu. "Jetzt haben wir eine sehr erhebliche Verfeinerung der Funktion", sagt Winkler. "Man kann nun mit sehr fein abstufbarer Dynamik spielen." Das sei eine musikalische Bereicherung für Orgel und Organisten. Den Künstlern müsse auch ein Instrument geboten werden, worauf sie gerne spielen möchten. "Das ist eine Motivation." Denn Gage gibt es ja keine.

"Dass die Stadt diesem Plan zugestimmt hat, sehe ich als gutes Zeichen, da keiner die Orgel verkommen lassen will." Für Winkler war der Umbau auch ein persönliches Anliegen: ein greifbares Ergebnis für langjähriges, ehrenamtliches Engagement. Nach dem Einbau der neuen Schwellermechanik folgt die Generalstimmung der 4009 Pfeifen, die sich auf 53 Register und vier Manuale nebst Pedal verteilen. Roland Winkler: "2015 hat das Instrument Jubiläum." Die große Konzertsaal-Orgel wird 50 Jahre alt.

Am 13. November 1965 spielte der Kölner Orgelprofessor Hans Bachem das erste Konzert. Nachdem die alte Stadthalle 1957 abgebrannt war und das jetzige Theater und Konzerthaus geplant wurde, diskutierte man auch über eine neue Orgel. Diese konnte ausschließlich aus Spenden finanziert werden. Für rund 250 000 Mark baute die renommierte Bonner Orgelbau-Firma Klais das Instrument.

Würde man diese Orgel heute neu bauen, käme man in den Millionenbereich. "2008 habe ich bei der Stadt nachgefragt, ob ich die Konzertreihe wiederbeleben könnte", erklärt Roland Winkler. Alles auf ehrenamtlicher Basis.

"Aus dem Versuch sind mittlerweile sechs Jahre geworden." Das liegt auch am Konzept der Konzerte unter dem Titel "Solinger Orgelpunkt". "Auf einer Konzertsaal-Orgel kann man ganz andere Musik spielen als in der Kirche." Orgelmusik müsse ja nicht immer ein Choral sein. Da können auch Musicalklänge aus den Pfeifen kommen. Zudem werden die jeweiligen Programme kurzweilig moderiert. Und mit einer Länge von rund einer Stunde werde niemand überfordert.

Gespannt ist Winkler schon auf das erste Orgelkonzert. "Hier geht es um Improvisation, die eigentlich den gleichen Stellenwert hat wie das Literaturspiel." Otto Maria Krämer wird unter dem Motto "Aus dem Ärmel geschüttelt" über Wunschthemen der Zuhörer improvisieren.

(RP)
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