Solingen 24 Stunden Streik

Solingen · 1300 Angestellte des Öffentlichen Dienstes waren gestern im Warnstreik. Die Morgenpost hat die Streikenden begleitet und sich unter den betroffenen Bürgern in Solingen umgehört. Der Streik im Protokoll.

Busdepot Weidenstraße, 4.11 Uhr Eigentlich müsste jeden Augenblick der erste Bus den Hof der Solinger Verkehrsbetriebe verlassen. Doch an diesem Morgen bleiben die Schranken an der Ausfahrt unten. Die Busfahrer befinden sich im Ausstand.

Klinikum, Frankenstraße, 5.30 Uhr Auch die Angestellten des Krankenhauses beteiligen sich am Warnstreik. Im Gegensatz zu den Busfahrern können im Klinikum aber nicht alle streiken. Wie schon beim ersten Ausstand vor zwei Wochen sind Abteilungen ausgenommen, die mit Patienten zu tun haben.

 Wolfgang Reinhold steigt in die Linie 252. Diese wird von einem Privatunternehmen betrieben und fährt trotz Streik. Reinhold muss zur Arbeit nach Odenthal. Er wohnt in Kannenhof. Zum Busbahnhof ging er zu Fuß.

Wolfgang Reinhold steigt in die Linie 252. Diese wird von einem Privatunternehmen betrieben und fährt trotz Streik. Reinhold muss zur Arbeit nach Odenthal. Er wohnt in Kannenhof. Zum Busbahnhof ging er zu Fuß.

Foto: mak

Busdepot 6 Uhr Die Schranken sind weiter geschlossen. "Das wird auch so bleiben", sagt Dagmar Paasch. Die stellvertretende Verdi-Bezirksgeschäftsführerin macht damit klar, dass an diesem Mittwoch kein Bus des Verkehrsbetriebes vom Depot aus auf die Strecke geht. Zwei Busse stehen zusätzlich quer, blockieren die Ausfahrt. An den großen Windschutzscheiben hängen Plakate in Signal-Rot: "Warnstreik!"

Solingen: 24 Stunden Streik
Foto: Anne Hemmes

Kreuzung Schlagbaum, 7.10 Uhr Davon ist an dem Verkehrsknotenpunkt eine gute Stunde später nur wenig zu merken. Zwar fehlen an diesem Morgen die Busse der Verkehrsbetriebe, die sonst den Schlagbaum im Minutentakt passieren. Doch ansonsten läuft der Verkehr ganz normal. Größere Staus bleiben aus.

Graf-Wilhelm-Platz, 7.30 Uhr Einen Kilometer weiter sind die Streikfolgen schon eher zu spüren. Normalerweise herrscht um diese Zeit reges Treiben am Busbahnhof. Kinder auf dem Weg zur Schule, Angestellte, die zu ihren Arbeitsplätzen eilen, erste Kunden, die die Geschäfte ansteuern — sie alle fehlen. Der Busbahnhof wirkt wie ausgestorben. Nur drei Männer von der Stadtreinigung sind im Dienst. "Wir leeren als Notschicht die Mülleimer", sagt Bernd Strickhausen von den Technischen Betrieben Solingen (TBS).

TBS-Betriebshof, Dültgenstaler Straße, 8 Uhr Die Kollegen von Strickhausen, die streiken, betreten einen eigens gecharterten Bus. Das Ziel: Die Verdi-Veranstaltung in Köln. Insgesamt fahren an diesem Morgen elf Busse mit 700 Angestellten von Stadt und städtischen Töchtern nach Köln.

Graf-Wilhelm-Platz, 8.30 Uhr Wolfgang Reinhold muss zur Arbeit nach Odenthal. Weil die Linie 698 heute nicht fährt, ist er von seiner Wohnung in Kannenhof zu Fuß zum Busbahnhof gekommen. Hier hat er Anschluss mit der Linie 252, die fährt, weil sie sie von einem privaten Unternehmen betrieben wird. Für die Forderungen der Gewerkschaften hat Reinhold Verständnis: "Die Leute verdienen ja nicht viel."

Busdepot, 10 Uhr Das Einstiegsgehalt eines ledigen Busfahrers beträgt 1280 Euro netto, sagen die streikenden Busfahrer im Depot an der Weidenstraße. Verdi- und Komba-Fahnen wehen im Zufahrtsbereich zum Betriebshof. Dazwischen stehen rund 50 Busfahrer, SWS-Kollegen der Technik, aber auch Mitarbeiter des Kundencenters sowie einige der zwölf Lehrlinge. Es wird übers Geld geredet; und das nicht zu akzeptierende Angebot der Arbeitgeber. Spät abends oder früh morgens und am Wochenende werden die Fahrer mitunter zur Schicht eingeteilt. Darum gehe es, sagt Anke Wagner. Sie ist eine von 162 Busfahrern bei den Stadtwerken. "Wir hinken der Privatwirtschaft hinterher."

Innenstadt, 10.10 Uhr Die City füllt sich heute langsamer als sonst. "Viele Geschäftsleute haben überlegt, ihre Läden zuzulassen", sagt eine Geschäftsinhaberin. Vor allem ältere Leute hätten doch wegen des Streiks gar keine Gelegenheit, in die Stadt zu kommen.

Busdepot 10.30 Uhr Anke Wagner und Kollegen streiken weiter. Und sie erzählen von ihrem Arbeitsalltag. Wenn sie am Steuer sitzen, erleben sie eine sich beschleunigende Arbeitsbelastung. Das Verkehrsaufkommen habe sich erhöht. Zugleich seien die Einstiegskontrollen dazu gekommen, so dass den Busfahrern auch Aufgaben der Kontrolleure aufgebürdet worden seien. Die Fahrtzeiten aber seien im Gegenzug nicht verlängert worden. Ihr Eindruck angesichts des zweiten Warnstreiktages: "Fahrgäste haben Verständnis für unser Anliegen."

Innenstadt, 10.50 Uhr Inzwischen wird die City voller. Doch das Verständnis mancher Passanten sinkt. "Die Höhe der Forderung ist okay. Aber die Maßnahmen sind mir für einen Warnstreik zu hart", sagt eine Frau.

Köln, 11 Uhr Die Verdi-Veranstaltung in Köln hat begonnen. Mit dabei ist Solingens Verdi-Geschäftsführer Jürgen Krause. Während Gwerkschaftschef Frank Bsirske spricht, macht Krause klar, dass es die Gewerkschaften ernst meinen mit ihren Forderungen: "Wenn es Ende März keine Einigung gibt, kommt die Urabstimmung. Dann könnte es ab 24. April einen richtigen Streik geben."

Busdepot 11.10 Uhr Hier ist man der gleichen Meinung. Klaus-Dieter Freidhof, stellvertretender Komba-Vorsitzender, sagt. "Die Kollegen fühlen sich nicht wertgeschätzt für ihre Arbeit." Und Dagmar Paasch von Verdi erklärt: Sollte es bei der nächsten Verhandlungsrunde Ende März zu einem Ergebnis kommen müsse man sich darauf einstellen, dass vom Betriebshof Weidenstraße aus tagelang kein Bus auf die Strecke gehe.

Rathaus Solingen, 13 Uhr Bei Stadt und TBS zieht man eine erste Streikbilanz. Alles sei reibungslos gelaufen, sagen Sprecher.

Solingen, 15 Uhr Die Busse mit den Warnstreikenden sind zurück aus Köln. Verdi-Mann Krause ist mit dem Tag zufrieden. Die Beteiligung sei in Solingen mit 1300 Streikenden sehr gut gewesen, so Krause.

Busdepot, am Abend Bis 1.34 Uhr in der Nacht zu heute harren die Streikenden an der geschlossenen Schranke aus. Dann fährtder letzte Nachtexpress ins Depot.

Busdepot, 4.11 Uhr Zu dieser Zeit startet mit der Frühschicht dann der erste Bus in Richtung Brockenberg über Wald nach Ohligs. Der Streik ist vorbei — erst einmal.

(RP)
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