Solingen 1232 Fälle von sexuellem Missbrauch

Solingen · Nur wenige Minuten, dann hatte die Staatsanwältin die Anklage verlesen. Sofort danach beantragte die Verteidigerin, alle Zuschauer auszuschließen. Seit gestern muss sich ein 50-Jähriger vor dem Landgericht in Köln erklären: Ihm werden 1232 Fälle von teilweise schwerem sexuellen Missbrauch an sechs Kindern vorgeworfen, darunter auch ein Solinger.

Mit Opfern auch verreist

Tatort war die Wohnung dieses Mannes in der Ferienhaussiedlung Kräwinkel, zudem war er mit mehreren Opfern verreist, wie Polizei und Staatsanwaltschaft im September des vergangenen Jahres ermittelt hatten (wir berichteten). Der gebürtige Remscheider sitzt seither in Köln in Untersuchungshaft. Gestern nun traten er und seine Verteidigerin vor das vierköpfige Richtergremium der 2. Großen Strafkammer sowie vor die Staatsanwältin, zwei Opferanwältinnen und einen Gutachter. Und sie kündigten ein umfassendes Geständnis an, verknüpft mit dem Hinweis, dass Umstände zur Sprache kommen könnten, die den "engsten Persönlichkeitsbereich" des Angeklagten beträfen. Deshalb beantragte die Verteidigerin, die Öffentlichkeit auszuschließen.

Nach kurzer Beratung stimmten die zwei Richter und zwei Schöffen diesem Antrag zu. Nachträglich erklärte der Vorsitzende Richter, auch für die Opfer gelte der Schutz der Privatsphäre. Nach Agenturberichten wurde das Geständnis im Tagesverlauf abgelegt. Bis das Urteil verkündet wird, soll es maximal vier Verhandlungstage geben — spätestens nächsten Dienstag soll es dazu kommen.

Erneut schickten die Fernsehsender ihre Kamerateams gestern nach Radevormwald, um den Ort des Geschehens zu filmen. Bilder aus dem Gerichtssaal in Köln hatte der vorsitzende Richter nicht erlaubt, zugegen war nur eine Gerichtszeichnerin.

Tägliche Besuche

Polizeisprecher Ernst Seeberger hatte im September fünf ermittelte Fälle bestätigt, jedoch gesagt: "Wir können nicht ausschließen, dass sich weitere Kinder und Jugendliche melden." Verhandelt werden nun sechs Fälle, wobei sich die aus Radevormwald, Solingen und Wermelskirchen stammenden Opfer mit dem Angeklagten vielfach trafen. "Der Angeklagte lernte einen Elfjährigen in Kräwinkel kennen", erklärte die Staatsanwältin. Drei bis vier Mal pro Woche habe der Junge den 50-Jährigen in der Folgezeit besucht. "Später sogar täglich. Dabei war es selten, dass es nicht zum sexuellen Kontakt kam." Angeklagt sind Taten zwischen 1996 und 2007. Allein diesen Jungen soll der Radevormwalder, der laut Polizei eine "Briefkastenanschrift" in Wermelskirchen besaß, 980 Mal sexuell missbraucht haben.

Ein anderer Junge, damals neun Jahre alt, soll den Angeklagten eine Zeit lang zweimal wöchentlich getroffen haben. Auch nahm der 50- Jährige ihn laut Anklage auf eine Reise mit nach Holland. Mit anderen Kindern, die stets neun bis 15 Jahre alt waren, reiste er nach Norddeich an die Nordsee, nach Spanien oder an die Ostsee.

(RP)
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