Rommerskirchen Vereine waren dem Staat laut Historiker lange Zeit suspekt

Rommerskirchen · Kreisarchivmitarbeiter Martin Lambertz hat die Entstehung des bürgerlichen Vereinswesens in Rommerskirchen untersucht.

 Martin Lambertz arbeitet im Archiv im Rhein-Kreis Neuss, wo auch Unterlagen aus Rommerskirchen aufbewahrt werden.

Martin Lambertz arbeitet im Archiv im Rhein-Kreis Neuss, wo auch Unterlagen aus Rommerskirchen aufbewahrt werden.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Mit der historischen Entwicklung des Vereinslebens hat sich Martin Lambertz, Historiker und Archivar beim Rhein-Kreis Neuss, intensiv auseinander gesetzt. Als Vorstandsmitglied des Bürgerschützenvereins Eckum gehört er dem Organisationskomitee an, das die 2020 anstehende 825-Jahrfeier Eckums vorbereitet.

Hatte es zuvor ausschließlich kirchliche Vereinigungen gegeben, entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts im von der Landwirtschaft geprägten Gebiet des heutigen Rommerskirchen auch bürgerliche Vereine. Da sie sich durch eine besondere Staatsnähe auszeichneten, ist dies besonders gut in den staatlichen Akten im Kreisarchiv dokumentiert.  „Kann man heute zum Glück bei den meisten Vereinen oftmals eher von Zusammenarbeit, denn von behördlicher Überwachung im negativen Sinne sprechen, waren die Vereine lange Zeit seitens der jeweiligen Obrigkeit eben dieser ausgesetzt“, sagt Lambertz über die politische Situation im 19. Jahrhundert. In der vom König in Folge der Märzunruhen 1848 noch im selben Jahr oktroyierten Verfassung stehe zwar das Recht auf die unmittelbar mit einer lebendigen Vereinskultur zusammenhängende Versammlungsfreiheit,  allerdings sei diese schon im Juni 1849 per Verordnung eingeschränkt worden, was im März 1850 nochmals verschärft worden sei. 

Die ersten nichtkirchlichen Vereine entstanden in den  1840-er und 1850-er Jahren: Diese frühen Vereine waren meist so genannte Erholungs- oder Unterhaltungsvereine. Der erste bekannte Verein dieser Art war eine „geschlossene Gesellschaft“ namens „Agricultura“, in der sich 1846 mehr als 20 Mitglieder zusammen fanden. Sie entstammten  „der gehobenen Gesellschaftsschicht der Bürgermeisterei Rommerskirchen, sofern man davon damals sprechen konnte“, wie Lambertz feststellt. Präsident war der Beigeordnete Peter Joseph Meller, Landwirt in Eggershoven, weitere Vorsteher waren Gutsbesitzer Joseph Saurland aus Vanikum (heutiger Hof der Familie Velder) und Hermann Josef Kemmling, ebenfalls Beigeordneter und Landwirt. Er war auf dem Eckumer Moershof beheimatet. Schatzmeister war der Lehrer der Rommerskirchener Schule Hermann Joseph Spies. Weitere Mitglieder waren u. a. der Bürgermeister, der Pfarrer, ein Mediziner aus Stommeln sowie weitere Gutsbesitzer.

Eine besondere Rolle spielten die Kriegervereine, die nach den preußischen Kriegen in der 1860-er Jahren, vor allem nach der Gründung des Deutschen Reichs 1870/1871 entstanden. Der Kriegerverein Nettesheim von 1895/96 hatte den Zweck, „die Liebe und Treue zu Kaiser und Reich, Landesfürst und Vaterland bei seinen Mitgliedern zu pflegen, zu bethätigen und zu bestärken, sowie die Anhänglichkeit an die Kriegs- und Soldatenzeit im Sinne kameradschaftlicher Treue und nationaler Gesinnug aufrecht zu erhalten“, wie seiner im Kreisarchiv vorhandenen Satzung zu entnehmen ist. Eine pointierte These vertritt Lambertz mit Blick auf die bürgerlichen Schützenvereine:  Die These, wonach sie ähnlich ausgerichtet waren wie die Kriegervereine „kann meiner Meinung nach, zumindest für unseren Raum, nicht gehalten werden“, so der Historiker.  Die ab 1870 bis Anfang  des 20. Jahrhunderts entstehenden bürgerlichen Schützenvereine „waren in ihrer Verfasstheit keineswegs so eng mit dem Kaiserreich verflochten“, betont Lambertz.

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