Immobilienmesse Expo Real 2019 „Sixpack“: Mehr Klarheit für Strukturwandel

Rommerskirchen · Bürgermeister Martin Mertens drängt mit seinen Kollegen bei der Messe Expo Real in München auf Planungssicherheit.

 Das „Rheinische Sixpack“ auf der Expo Real in München, v.l.: Ralf Müller, Wirtschaftsförderung Grevenbroich, Volker Mießeler, Bürgermeister von Bergheim, Martin Mertens, Bürgermeister von Rommerskirchen, Sascha Solbach, Bürgermeister in Bedburg, Andreas Heller, Bürgermeister von Elsdorf.

Das „Rheinische Sixpack“ auf der Expo Real in München, v.l.: Ralf Müller, Wirtschaftsförderung Grevenbroich, Volker Mießeler, Bürgermeister von Bergheim, Martin Mertens, Bürgermeister von Rommerskirchen, Sascha Solbach, Bürgermeister in Bedburg, Andreas Heller, Bürgermeister von Elsdorf.

Foto: Frank Kirschstein

Bei der Gründung des Rheinischen Sixpacks 2014 war die Dramatik der Ereignisse, ausgelöst durch den Beschluss zum Kohleausstieg noch nicht abzusehen. Im Rückblick erweist sich die Idee, das Rheinische Sixpack zu gründen, als Entscheidung mit Weitblick, sagt Volker Mießeler, Bürgermeister von Bergheim. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus den Nachbarkommunen nutzt er seit Montag die Internationale Immobilienmesse Expo Real in München auch, um Chancen für den Strukturwandel auszuloten. „Wir stehen vor der Aufgabe, vorhandene Wertschöpfungsketten zu erhalten“, sagt der Bedburger Bügermeister Sascha Solbach. Die Arbeitnehmer in den Kraftwerken, im Tagebau und den entsprechenden Zulieferbetrieben trügen die Hauptlast des mit dem Kohleausstieg verbundenen Strukturwandels. „Unser Ziel ist es, auch in Zukunft industrielle Arbeitsplätze in unseren Kommunen anbieten zu können, bestenfalls wie bisher in Verbindung zum Thema Energie“, so Solbach weiter.

     Bürgermeister Martin Mertens (l.) im Gespräch mit Moderator Axel Tillmanns am Gemeinschaftsstand Niederrhein.

Bürgermeister Martin Mertens (l.) im Gespräch mit Moderator Axel Tillmanns am Gemeinschaftsstand Niederrhein.

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Fotos. Rhein-Kreis Neuss auf der Immoblienmesse Expo Real 2019
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Kommunen aus dem Rhein-Kreis Neuss werben für den Wirtschaftsstandort

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Das Problem, das die Kommunen umtreibt und das sie auch auf der Expo Real zum Thema machen: Mit dem Beschluss zum Kohleausstieg, der noch immer nicht genauer definiert ist, ist noch längst nicht gesagt, dass bisher für Tagebau und Kraftwerke genutzte Flächen auch für eine Nachfolgenutzung zur Verfügung stehen. Eine Forderung des Sixpacks lautet deshalb: Möglichst schnell Klarheit schaffen, damit die bisher industriell genutzten Flächen auch weiter industriell verwendet werden können.

Da allerdings absehbar sei, so das kommunale Bündnis, dass eine Folgenutzung von Tagebau und Kraftwerksflächen, wenn überhaupt, nur mit zeitlicher Verzögerung möglich sein wird, drängt das Rheinische Sixpack auf die Möglichkeit, auch im freien, ländlichen Raum neues Gewerbe ansiedeln zu dürfen. „Wenn wir einen Strukturwandel ohne Strukturbrüche wollen, ist das unsere einzige Chance“, sagt Solbach.

Ein Projekt, dass die Sixpack-Kommunen gern ansiedeln würden: eine Produktion für Batteriezellen, entweder auf einem – noch nicht identifizierten – großen Grundstück oder dezentral in einer Clusterstruktur, getrieben von einem Konsortium, zu dem auch der norwegische Energie- und Aluminiumkonzern Norsk Hydro gehören könnte, im Rhein-Kreis bereits vertreten mit der Aluminiumhütte und verarbeitenden Anlagen in Grevenbroich und Neuss. „Entscheidend wird sein, dass wird den Klimaschutzgedanken und die Bedürfnisse der Menschen in der Region zusammenbringen“, sagt Martin Mertens, Bürgermeister von Rommerskirchen.

Damit das gelingen kann, sei ein Verbund wie das Rheinische Sixpack – Rommerskirchen, Grevenbroich, Jüchen, Elsdorf, Bedburg, Bergheim – unerlässlich. Mit zusammen rund 200.000 Einwohnern habe die Stimme des Sixpacks weitaus mehr Gewicht als die einer einzelnen Gemeinde.

Im ersten Schritt will sich der Verbund, der bislang vor allem von den Bürgermeistern getrieben wurde, professionalisieren. Jede Kommune gibt 5000 Euro pro Jahr, eine Startfinanzierung für eine Geschäftsführung, Mertens spricht von einer Assistenz-Stelle, die bei der Stadt Grevenbroich angesiedelt sein wird, wo ein Mitarbeiter in Teilzeit für das Sixpack tätig werden soll.

Eine Forderung der Kommunen an den Bund: Im Rahmen der Strukturförderung sollen auch konsumtive Ausgaben, konkret Personalkosten, von der Strukturhilfe finanziert werden dürfen. „Diese Last durch ein vom Bund verursachtes Thema darf nicht bei den Kommunen hängen bleiben“, sagt Solbach. Er fordert auch schnellstmögliche Planungssicherheit: Wenn der Kohleausstieg in bestimmten Abständen einem Monitoring, einer Überprüfung, unterzogen werde, sei es kein Wunder, dass sich RWE alle Optionen offen halte – mit der Folge, dass die Gemeinden keine Nachfolgenutzung planen könnten. Das führe unter anderem auch zu „absurd hohen“ Preisen für landwirtschaftliche Flächen, die den Kommunen als Alternative angeboten würden. Gepaart mit Landverlusten – allein Elsdorf verliert 20 Quadratkilometer Fläche – schürt das die Sorge um eine sinnvoll gestaltete Zukunft.

Industrielle Arbeitsplätze erhalten und Ersatz schaffen für geschätzt 3000 bis 4000 Arbeitsplätze, die mit dem Kohleausstieg verloren zu gehen drohen, das sei das Ziel, sagt Mertens. Gewachsene Strukturen in den Kommunen sollen nicht durch Schlafstädte für Menschen aus Köln oder Düsseldorf ersetzt werden. Umso gespannter blickt das Sixpack auf das Strukturstärkungs- und das Kohleausstiegsgesetz. „Die Arbeitnehmer, denen vor Monaten das Aus für ihre Arbeitsplätze angekündigt wurde, werden langsam unruhig“, sagt Solbach. Das könne im schlimmsten Fall bei den nächsten Wahlen zu Verlusten der etablierten Parteien und zum Erstarken der politischen Ränder, vor allem der AfD führen. Ralf Müller, Wirtschaftsförderung Grevenbroich, berichtet auch von Anfragen, wie er sie in seinem Berufsleben bislang noch nie zu hören bekommen hat: „Lohnt es sich überhaupt noch, bei euch zu investieren?“ Wenn nicht schnellstens verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen geschaffen würden, hätten die Kommunen auf solche Fragen keine überzeugenden Antworten.

„Das bedeutet: Die Zeit des Kirchturmdenkens ist endgültig vorbei. Das schaffen wir nur gemeinsam“, sagt Mertens, der ein positives Fazit des Rommerskirchener Messeauftritts zieht: Die anstehenden Wohnungsbauprojekte in Rommerskirchen, speziell auch mit dem Ansatz, bezahlbares Wohnen, Klimaschutz, Mobilität und soziale Infrastruktur zu verbinden, stoße bei potenziellen Investoren auf großes Interesse: „Wir haben mehrere Unternehmen, die einsteigen würden. Wir müssen jetzt die Konzepte und unsere Ansprüche abgleichen und sehen, was am besten passt.“ Vielversprechende Gespräche seien zudem auch zum Thema Einzelhandel, vor allem mit Blick auf die Nahversorgung in den nördlichen Teilen der Gemeinde, geführt worden.

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