Rommerskirchen Mit dem Frühling kommen die Pollen

Dormagen · Allgemeinmediziner Dr. Norbert Sijben: Allergiker leiden jetzt besonders, weil die erwachte Natur die Pollen fliegen lässt.

Patienten mit Heuschnupfen geben sich in dieser Jahreszeit doch in den Arztpraxen die Klinke in die Hand. Wie ist die aktuelle Lage?

Dr. Norbert Sijben Ja, die Natur erwacht und explodiert, die Pollen fliegen bei schönem Wetter massiv. Die Allergiker geben sich in den Praxen die Klinke in die Hand; sie leiden bei diesem Wetter, wo die Infektengeplagten jetzt aufatmen.

Wer mit Niesreiz und Schnupfen in die Praxen kommt, leidet doch nicht unbedingt unter Pollen und reagiert allergisch. Wie kann der Patient den Unterschied zu einer Erkältung mit Schupfen erkennen? Was tun Sie als Arzt in der Praxis?

Sijben. Die meisten kennen ihr Problem schon seit Jahren und dies immer um die gleiche Zeit. Die Beschwerden sind draußen stärker als drinnen und bei Regenwetter fast null, weil die Pollen aus der Luft ausgewaschen werden. Im Zweifel kann der Arzt einen Allergietest machen.

Wann und wie nehmen Sie einen Allergietest vor?

Sijben Eigentlich bei jedem vermuteten Allergiker, zwar nicht sofort aber im Laufe des Jahres. Ich bitte die Patienten, ein Tagebuch zu führen. Das hilft zusätzlich, die Beschwerden bestimmten Pollenflugzeiten zuzuordnen. Es bestehen mitunter mehr Allergiesierungen, die aber keine Beschwerden machen. Mit einem Pricktest werden Testlösungen auf den Unterarm aufgetragen und die darunterliegende Haut leicht geritzt. Bei einer Sensibilisierung gegen spezielle Pollen reagiert die Haut ähnlich wie mit Brennnesselquaddeln mit einer großen Rötung darum herum. Es besteht auch die Möglichkeit mit einer nasalen Provokation, wobei die Testlösung auf einem kleinen Wattestäbchen in die Nase eingeführt wird. Die Nase wird dann mit starker Schleimbildung und Niesreizen reagieren.

Gibt es immer mehr Pollenallergiker?

Sijben Ingesamt nehmen Allergien zu; wahrscheinlich auch Pollenallergien. Dies wird zurückgeführt auf die frühen Kindheitsjahre, wo die Kinder heute allergenfreier aufwachsen, sie reagieren später erheblich heftiger mit ihren Schleimhäuten und tolerieren die Allergene später nicht so gut. Kinder, die auf dem Lande, speziell auf Bauernhöfen aufwachen, sollen weniger an Allergien leiden. Natürlich gibt es auch eine genetische Komponente, die sogenannte "Allergikerfamilien".

Wie gehen die Patienten mit Heuschnupfen um? Hyposensibilisierung, ein Mittel aus der Apotheke oder einfach aushalten?

Sijben Akut helfen Antiallergika in oraler Form. In sehr schweren Fällen kann der Arzt auch schon mal ein Depot-Antiallergikum spritzen, wenn nur eine kurzfristige Allergie vorliegt. Einige Patienten sprechen auch gut auf eine Eigenblutinjektion an; ein Verfahren schon aus der "Geschichte der Medizin". Als Vorbeugung hat sich in einem sehr hohen Prozentsatz die Hyposensibilisierung bewährt, die in der pollenfreien Jahreszeit durchgeführt wird, bevorzugt im Herbst und Winter. Berichtet wird auch über Erfolge durch Akupunktur; die ist aber umstritten bei den Allergologen. Weitere Untersuchungen werden wohl nötig sein. Wer heilt hat recht — sagen manche Mediziner.

Die Hyposensibilisierung soll die Empfindlichkeit absenken, indem man die Patienten dem Allergen in geringer Dosis aussetzt. Die Behandlung steht aber in dem Ruf, unangenehm und langwierig zu sein. Wem würden Sie sie empfehlen?

Sijben Grundsätzlich jedem Pollen- und Hausstauballergiker, bei dem die Allergie nicht schon seit Jahrzehnten besteht. Je früher, desto besser! Es kann ein allergisches Asthma drohen. Bei der Hyposensibilisierung wird das Allergen, das die Allergie auslöst, in kleinen, aber steigenden Dosen unter die Haut gespritzt, so dass der Allergiker die Pollen mit der Zeit besser toleriert. Seit Jahren gibt es gute Erfolge auch mit einer oralen Hyposensibilisierung. Bei dieser Vorgehensweise werden Pollenextrakte in Tropfenform verabreicht. Dies ist besonders für Kinder sehr angenehm. Leider sollte nach allgemeinen Empfehlungen und Erfahrungen die vorbeugende Behandlung über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren in der pollenfreien Zeit erfolgen.

Wie groß ist denn das Asthma-Risiko? Wächst sich eine Allergie mit nachlassendem Immunsystem im Alter aus?

Sijben Es gibt eine Faustregel: Bei einem Drittel verringern sich die Allergiebeschwerden, bei einem Drittel bleiben sie gleich und bei dem letzten Drittel wird es schlimmer bis hin zu schwerem Asthma.

Welche Pollen sind jetzt im Anmarsch?

Sijben Ja, der April ist die Hochzeit der Birkenpollen. Man sollte aber wissen, dass sich die Flugzeiten je nach Region und Klima etwas verschieben können. Ab Ende Mai kommen die Gräserpollen, die den ganzen Sommer über blühen können. In unserer Gegend meinen viele fälschlich es seien die Pappelpollen, die gut sichtbar sind; die sind aber viel zu groß, um in unsere Atemwege zu gelangen.

KLAUS D. SCHUMILAS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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