Rommerskirchen Lehrer erforscht jüdische Schicksale

Rommerskirchen · Josef Wißkirchen hat eine Biografie über Rudy Herz geschrieben. Es ist das erste Buch über einen Juden aus Eckum.

 Josef Wißkirchen bei der Präsentation seines Buches. Es ist eine Biografie über den Juden Rudy Herz, der 1925 geboren wurde, drei Konzentrationslager überlebte und 2011 in den USA starb.

Josef Wißkirchen bei der Präsentation seines Buches. Es ist eine Biografie über den Juden Rudy Herz, der 1925 geboren wurde, drei Konzentrationslager überlebte und 2011 in den USA starb.

Foto: stefan büntig

Josef Wißkirchen hat für ein Novum gesorgt. Der 73-Jährige hat die erste Biografie eines Juden aus Rommerskirchen geschrieben. "Rudy Herz — ein jüdischer Rheinländer" lautet der Titel des Buchs, das gleichfalls ein Standardwerk für jeden ist, der sich für das Schicksal der Juden in der Gemeinde interessiert.

Wißkirchen, der am Grevenbroicher Pascal-Gymnasium unter anderem Geschichte unterrichtete, hat Rudy Herz 1987 kennengelernt und stand bis zu dessen Tod mit ihm in Kontakt. In seinem mehr als 200 Seiten umfassenden Buch lässt er den gebürtigen Stommelner ausgiebig zu Wort kommen. Briefwechsel, persönliche Gespräche und Auszüge aus Vorträgen von Rudy Herz sind dokumentiert.

"Die Verfolgung von Juden im Dritten Reich war ein Tabu-Thema in Rommerskirchen — und ist es bis heute", stellte Matthias Kratz 2008 anlässlich der von ihm initiierten Verlegung von neun Stolpersteinen des Kölner Künstlers Günter Demnig in Nettesheim fest. Wer die Erinnerungen von Rudy Herz liest, wird verstehen, warum.

Die Reichspogromnacht hatte in Nettesheim und Butzheim geradezu Züge einer makabren Volksbelustigung angenommen. Helene Herz, Großmutter von Rudy Herz, betrieb an der Sebastianusstraße 46 einen kleinen Schuhladen. SA-Männer verwüsteten das Haus und die 80-Jährige drohte infolge einer gebrochenen Wasserleitung im Keller zu ertrinken. Gerettet wurde sie damals von zwei Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr —die prompt aus dieser ausgeschlossen wurden.

Der höhnische Abschiedsgruß "Tschüss Jüd, tschüss Jüd" war Rudy Herz zufolge das Letzte, was er von Einheimischen hörte, als er Eckum in Richtung Köln verließ. Von dort aus wurde die Familie 1942 deportiert. Lediglich Rudy Herz und sein Bruder Karl Otto überlebten die Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Mauthausen und emigrierten in die USA.

Der Mär, wonach es auf dem Land für die Juden zunächst weniger schlimm gewesen sei, widerspricht Josef Wißkirchen. "Es war umgekehrt. Die Juden sind aus den Dörfern in die Städte geflohen", sagte der Autor bei der Vorstellung seines Buchs im Ratssaal der Gemeinde. Zustande gekommen war die Veranstaltung auf Initiative seines Kollegen Paul-Rolf Essel, des Bürgerschützenvereins Eckum und der Evangelischen Bücherei.

Altbürgermeister Josef Wolter erinnert sich noch gut an einen Besuch von Rudy Herz, der in den 90er Jahren auch in Rommerskirchen war. In Stommeln hat der damals 85-Jährige noch im Februar 2011 vor Schülern über seine Erfahrungen gesprochen. "Der Besuch auf seine alten Tage war für ihn wie eine Befreiung, wie eine Erlösung", beschreibt Wißkirchen. Was nicht zuletzt damit zu tun gehabt haben dürfte, dass es eine völlig unbelastete Generation war. 1963, bei einem ersten Besuch in der alten Heimat, hatte Rudy Herz den Eindruck gewonnen, dass man ihn hier nicht wolle, wie Wißkirchen berichtet.

Rudy Herz, der seine eintätowierte Nummer als Auschwitzhäftling A 653 stets verbarg, ist Wißkirchen zufolge im Grunde seines Herzens ein Rheinländer geblieben. In Köln nahm er 2011 noch den Orden einer bekannten Karnevalsgesellschaft entgegen.

(NGZ/rl)
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