Rommerskirchen Kampf gegen den Quacksalber

Rommerskirchen · Der Geschichtskreis des Netzwerks 55 plus widmet sich der Chronik von Pfarrer Aumüller, der Ende des 19. Jahrhunderts Pfarrer von St. Peter war. Das Werk soll möglichst auch mal als Buch erscheinen.

Eine Fundgrube für lokalhistorisch Interessierte ist die Pfarrchronik des einstigen Rommerskirchener Pfarrers Dr. Christian Heinrich Aumüller (1807-1892). Der Geschichtskreis des Seniorennetzwerks 55 plus bemüht sich darum, sie mittelfristig in Buchform erscheinen zu lassen.

"Sittenbilder belehren uns am besten um die Moralität der Bevölkerung", lautete Aumüllers Devise und an kernigen Beschreibungen herrscht bei dem promovierten Arzt, der später Theologie studierte, kein Mangel. Der Kulturkampf gegen den preußischen Staat, in dem Aumüller nicht die geringsten Ermüdungserscheinungen erkennen ließ, zieht sich durch die nicht nur auf kirchliches beschränkte Chronik. Eine letztlich erfolgreiche Schlacht focht er gegen die Praktiken des damaligen Armenarztes Dr. Markowitz – wobei auch die Politik nicht zu kurz kam.

Der Arzt schien ein Quacksalber gewesen zu sein, und arbeitete 1876 eng mit einer frisch gegründeten Likörfabrik zusammen. Die belieferte er aller Wahrscheinlichkeit nach mit Kräutern, woraus dann der "Medicus" genannte Gesundheitstrank gebraut wurde. "Diesen empfiehlt und verschreibt jener Doktor fast bei allen Kranken", schreibt sein empörter Berufskollege Aumüller. Einem sich "im letzten Stadium der Schwindsucht" befindenden 13-jährigen Schüler hatte der Armenarzt einen ganzen Liter des Gebräus verschrieben. Aumüller gab der Mutter den Rat, das Zeug zu meiden, "es nütze nichts, könne aber wohl schaden". Bei der Gemeinde schlug Aumüller dann gehörig Lärm und fragte den Bürgermeister, "ob der Arzt die Befugnis erhalten habe, den kranken Armen beliebige Quantitäten jenes Getränks zu verschreiben, ehe er mal versucht habe, ob die Kranken solches vertrügen, abgesehen davon, ob es auch zweckmäßig sei." Befriedigende Antworten gab es nicht, zumal der Schwager des Armenarztes politisch ein hohes Tier in der Gemeinde gewesen zu sein scheint.

Die Sitzung des Armenausschusses, in der die Gemeinde die Rezepte des "Wunderdoktors" zu begleichen hatte, wurde so terminiert, dass Aumüller sie nicht wahrnehmen konnte. Dennoch war seine Einmischung letztlich von Erfolg gekrönt: "Ach habe ich später bei anderen Kranken diesen Schnaps nicht wieder vorgefunden", berichtet der Geistliche. Auch sonst geizte er nicht mit markigen Worten, um die "Schnapsseuche" in seinem Sprengel und die "in hiesiger Gegend allgemeine Nasch- und Genusssucht", zu brandmarken, die "Viele ins Verderben" gebracht habe. Der Fall des Armenarztes war für Aumüller ein Politikum: Der Schüler verstarb nur wenige Tage später, an der Schwindsucht, nicht am Schnaps.

(NGZ)
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