Fotografin in Rommerskirchen Heike Gerhards fotografiert Sternenkinder

Rommerskirchen · Sternenkinder sind Babys, die tot geboren sind. Ehrenamtliche Fotografen wie Heike Gerhards helfen trauernden Familien mit Bildern, Abschied zu nehmen und die Erinnerung zu bewahren.

 Heike Gerhards aus Rommerskirchen fotografiert Sternenkinder

Heike Gerhards aus Rommerskirchen fotografiert Sternenkinder

Foto: Heike Gerhards

Wenn ein Leben endet, bevor es richtig begonnen hat, dann ist dieser Verlust schwer greifbar. Eltern von Sternenkindern haben mit ihrem Neugeborenen nur diesen einen, kurzen Moment nach der Geburt. Die Fotografen, die im Namen der Stiftung „Dein Sternenkind“ agieren, haben es sich zur ehrenamtlichen Aufgabe gemacht, diesen besonderen wie traurigen Moment fotografisch für die Ewigkeit festzuhalten. So auch die Rommerskirchenerin Heike Gerhards. „Ich habe die Fotografie als Hobby spät für mich entdeckt und dann von der Stiftung erfahren und den Fotografen, die in Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz Kinder fotografieren, die vor, während oder nach der Geburt gestorben sind“, sagt die Polizeibeamtin, die auf Jugendkriminalität spezialisiert ist. „Für mich war klar, dass ich das unbedingt machen möchte. Ich habe viel geübt, mich beworben und durfte Teil des Teams sein. Ich selbst habe zwar kein Sternenkind, aber ich finde es sinnvoll, diesen Kindern ein Gesicht zu geben.“ Sie macht auf Wunsch der Eltern direkt nach der Geburt das erste und das letzte Bild des Neugeborenen, das den Sprung in die Welt nicht geschafft hat. „Ich glaube, das Geschenk ist, diese kurze Zeit, die Eltern mit ihrem Kind haben, in Fotos zu dokumentieren, damit sie auch später, wenn die Erinnerung langsam verblasst, noch verfügbar ist“, sagt die 52-Jährige.

An ihr erstes „Sternchen“ erinnert Heike Gerhards sich noch genau. „Es war ein nahezu reifes Kind, das aus unersichtlichen Gründen im Bauch verstorben ist. Ein kleines Mädchen, das im Kölner Krankenhaus entbunden wurde.“ Zahlreiche Krankenhäuser ermöglichen den Eltern dieses besondere Geschenk, aber noch längst nicht alle Kliniken gewähren den Fotografen von „Dein Sternenkind“ den Zutritt. „Das gehört ebenfalls zu unserer Arbeit: Wir informieren täglich und versuchen so, noch mehr Eltern den Wunsch nach professionellen Fotos zu erfüllen.“ Diese Momente werden von den Eltern sehr intensiv erlebt, aber sie befinden sich in einem absoluten Ausnahmezustand. Heike Gerhards ist es wichtig, sich bei ihrer Arbeit im Hintergrund zu halten. Bei den Motiven hält sie sich an die Wünsche der Eltern, fotografiert zum Beispiel die Händchen, Füßchen oder die Wimpern. „Manchmal überwiegt Apathie, manchmal die Trauer, aber meist erlebe ich diese Momente als friedvoll. Es wird durchaus auch mal geschmunzelt, wenn das Baby etwa die Ohren vom Onkel hat. Meistens ist ganz viel Liebe und Ruhe im Raum.“ Auch die Geschwisterkinder bezieht Heike Gerhards gerne ein. „Es ist rührend zu sehen, wie sie mit ihrem totgeborenen Geschwisterchen umgehen. Sie küssen und herzen es, es ist nicht traumatisierend für sie. Ich persönlich halte es für wichtig, dass Geschwister – wenn sie in einem geeigneten Alter sind – das Baby kennenlernen. Denn wie soll man von jemandem Abschied nehmen, den man niemals kennengelernt hat?“

Als Polizeibeamtin hat Heike Gerhards schon einiges gesehen und gelernt, wie sie Abstand wahren kann, aber dennoch Anteil nehmen kann – um selbst seelisch gesund zu bleiben. Das kommt ihr auch bei ihrem Engagement für die Sternenkinder zugute. „Schließlich will ich jedem einzelnen Sternchen meine volle Kraft und Aufmerksamkeit schenken. Anteilnehmen ja, mitleiden nein.“ Vor jedem neuen Sternenkind ist Heike Gerhards aufgeregt. „Schließlich weiß ich nie, was mich erwartet, auch wenn ich bereits viel gesehen und erlebt habe. Aber ich muss funktionieren, weil ich den Eltern etwas Schönes schenken will.“ Und der Begriff Schenken ist wörtlich gemeint: Alle Fotografen der Stiftung fotografieren ehrenamtlich und kümmern sich auch um die Ausdrucke. „Ich lasse die Fotos von meinen Sternchen immer professionell printen und packe für die Eltern ein Paket mit diesen Ausdrucken, einem USB-Stick mit den digitalen Bildern und je nachdem mit einem Erinnerungsstück, etwa einem getrockneten und gerahmten Gänseblümchen, das auf den Fotos zu sehen ist. So wird die Erinnerung greifbar. Außerdem mache ich immer auch einen kleinen Film.“

Trotz der Corona-Pandemie hatten die Fotografen – 650 an der Zahl – im Jahr 2020 rund 3200 Einsätze, mehr noch als im Jahr zuvor. „Wir kommunizieren über einen datensicheren Server, auf dem auch die Bilder abgespeichert werden. Es ist eine tolle Gemeinschaft mit empathischen Menschen, die immer füreinander da ist. Das habe ich in dieser Form noch nie erlebt. Man wird aufgefangen und es herrschen Vertrauen und eine unglaubliche Hilfsbereitschaft.“ Heike Gerhards ist froh, dieses Ehrenamt ausüben zu dürfen, inzwischen hat sie auch koordinierende Aufgaben übernommen. „Es erdet. Ich weiß, wie gut es mir geht und kann so etwas zurückgeben und etwas bewirken.“

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