Rommerskirchen „Alte Musik ist schön und überschaubar“

Rommerskirchen · Gerd Keuenhof aus Frixheim hat alte Musikstücke der Vergessenheit entrissen, indem er sie in heutige Notenschrift transkribierte. Dank seines handwerklichen Geschicks baut er klassische Lauten nach.

 Musik-Enthusiast Gerd Keuenhof mit einer selbstgebauten Bassgambe.

Musik-Enthusiast Gerd Keuenhof mit einer selbstgebauten Bassgambe.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Wenn einer so viele Talente besitzt und rund um die Musik so reichlich Beschäftigung findet – wo fängt die Beschreibung an? Für die umfassende Charakterisierung bräuchte es ein Buch, und so kann es hier nur eine Skizze dieses Freundes alter Musik und Instrumente sein. Lira da gamba? Chitarrone? Viola da gamba? Theorbe? Solche längst vergangene Jahrhunderte zu geistlichem und weltlichem Klingen bringende Zupf- und Streichinstrumente baut er für sich selbst in eigener Werkstatt.

Gerd Keuenhof stammt aus Ehingen/Donau und wohnt seit langer Zeit in Frixheim. Der in Düsseldorf graduierte Toningenieur hat bei EMI Electrola gearbeitet und war bis zu seiner Pensionierung am Schauspielhaus Düsseldorf beschäftigt. Von Ruhestand konnte ab dann aber keine Rede sein. Er hat als Externer das Studium der Musikwissenschaft aufgenommen, spielt Viola da gamba und Laute, ist Mitglied unterschiedlicher Ensembles, unter anderem als Bariton im Kammerchor der Basilika Knechtsteden und im Vokalensemble „Just for fun“. Diese Reihe ließe sich noch mühelos fortsetzen.

Er sammelt Musikstücke, die er beispielsweise auf alten Kupferstichen eingearbeitet findet, und transkribiert sie in für heutige Musiker lesbare Noten. „Diese Stücke flämischer Komponisten waren mit alten Schlüsseln gesetzt, wie sehr viele Werke der damaligen Epochen“, erklärt Keuenhof. Zum Beweis dafür, welch wenig bekannten Schätze da zwischen den Buchdeckeln verborgen waren, spielt er per CD ein neunstimmiges „Gloria in excelsis Deo“ vor. Herrlicher Gesang! Der Fund war eine Abbildung vom Graveur Jan I. Sadeler (1550 – 1601), zu der Andries Pevernage (1542 – 1591) die Komposition geliefert hat.

„Ich bin neugierig“, bekennt der gelernte Kontrabassist. Das große Instrument wurde für ihn zu unhandlich, und so ist er kurzerhand auf die zierlicheren Saiteninstrumente umgestiegen. Die Renaissance-Laute, ein Knickhals-Instrument, liegt ihm besonders. Aber auch der Lirone, eine Gambe mit zwölf Saiten, die ausschließlich für Akkorde geeignet ist, hat es ihm angetan. „Mit ein bisschen handwerklichem Geschick“, sagt Keuenhof, „kann man solche Instrumente bauen.“ Wohl kaum, bezweifeln die Besucher und lassen nicht darin nach, den Self-Made-Man in Sachen Lautenbau zu bewundern. Zumal er noch eins draufsetzt und die im Bau befindliche Theorbe preist, die er aktuell in Arbeit hat. Das ist eine Basslaute mit zusätzlichen langen Saiten. Der Besuch in diesem auch optisch von Barock und Renaissance und Zeiten weit davor erfülltem Haus wird zunehmend zu einer Privatissimum-Sitzung.

„Meine Musik ist sehr harmonisch“, gibt er einen Fingerzeig für Vorlieben, „überschaubar und nicht sehr kompliziert“, sagt Keuenhof. Sie stammt aus verschiedenen Epochen und Ländern. Und dann hält er eine überraschende Information parat: „Byzantinische Musik kann einen großen Einfluss auf die Gregorianik gehabt haben.“ Solche Zusammenhänge tun sich offenbar erst auf, wenn man einmal hinter die Kulissen guckt. „Die Gregorianik ist eben nicht aus dem Nichts entstanden.“ Eins beeinflusste das andere oder ging aus ihm hervor.

So ist das auch beim vielbeschäftigten Gerd Keuenhof, der gleichsam in sich ruhend inmitten seines Musik verinnerlichenden Hauses sitzt. „Alte Musik“, unter der Gregorianik, Barock oder Renaissance gemeinhin rubriziert werden, könnte ja eigentlich – und hat es bei manchen ganz sicher auch – den Touch des Verstaubten und Abgestandenen haben. Wie Keuenhof aber darüber spricht, wie er ganze Kulturepochen mit ihren instrumentalen und sängerischen Klängen sowie ihren geistesgeschichtlichen Bezügen wiederaufleben lässt, das fasziniert. Das ist Holz vom grünen Baum der als Muse bestimmten Musik und entreißt zum Glück vieles dem Vergessen. Wenn es noch überhaupt eines Beweises dafür bedurft hätte, so lieferte Keuenhof ihn am Schluss, als er ein wohlklingendes Stück auf seiner Renaissance-Laute spielte.

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