Rheinberg Wenn Hilfsbereitschaft zum Krampf wird

Rheinberg · Das Theater "SpielLust" glänzte bei der Vorpremiere seines neuen Stücks "Benefiz - jeder rettet einen Afrikaner".

 Simone Gietmann (links) und Claudia Creon-Köller verhandeln darüber, ob sie eher einen Jungen oder ein Mädchen in Afrika unterstützen sollten.

Simone Gietmann (links) und Claudia Creon-Köller verhandeln darüber, ob sie eher einen Jungen oder ein Mädchen in Afrika unterstützen sollten.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Dass ihr Theaterstück "Benefiz - jeder rettet einen Afrikaner" mal derart an Aktualität gewinnen würde, hätte sich die Autorin Ingrid Lausund bei der Entstehung vor zehn Jahren sicher nicht gedacht. Am Samstag präsentierte das "Theater SpielLust" die Gesellschaftssatire im Rahmen einer Vorpremiere dem Budberger Publikum im Bürgerhaus am Sportplatz.

Vier Frauen und drei Männer wollen mit einer Benefizveranstaltung Geld für eine Schule in Afrika sammeln. Die Zuschauer werden Zeugen einer Probe der geplanten Veranstaltung. Sie erleben, wie aus einem gut gemeinten Anliegen pure Hilflosigkeit wird, wie persönliche Eitelkeiten, falsche Betroffenheit und der unbedingte Wille zu "Political Correctness" aus dem Vorhaben eine einzige Farce macht. Über allem schwebt zudem die permanente Angst davor, in die Klischeefalle zu tappen.

Die aktuelle Flüchtlingsproblematik ist dabei nicht viel mehr als ein Etikett. "Wir möchten darstellen, wie Menschen damit umgehen, dass es anderen Menschen viel schlechter geht", erzählt Schauspielerin Tanja Guhe-Kreutz. Und so passen sich die Protagonisten sehr schnell dem spießbürgerlichen Mief der Dorfgaststätte, in deren Hinterzimmer geprobt wird, an. Die Idee von Reiner (Thomas Bruns-Heiwegen), die befreundete Valerian für das Rahmenprogramm einzuladen, führt zu ersten verkrampften Diskussionen. Denn die Dame ist eine "schwarze Afro-Budbergerin" und droht somit zum Klischee zu werden. "Ich meine, wir sind ja alle weiß-deutsch. Valerian ist auch deutsch, aber schwarz-deutsch." Unbeholfene Erklärungsversuche wie dieser stehen sinnbildlich für die Nöte der benefizwilligen Mittelschichtler. Daneben spielen die persönlichen Interessen der Darsteller eine weitaus größere Rolle als das immer wieder betont dramatisch und über den Grad der Lächerlichkeit hinaus propagierte Elend der hungernden Kinder in Afrika. Der Versuch, geballtes Einfühlvermögen und scheinbare Kompetenz mit einem afrikanischen Tanz künstlerisch zu dokumentieren, ist einer von vielen Höhepunkten einer absolut sehenswerten Aufführung. Dafür gab es von den rund 80 Besuchern im ehemaligen Budberger Feuerwehrhaus einen ersten Szenenapplaus.

Geradezu grotesk wirkt es, wenn die provinziellen Moralapostel den Versuch unternehmen, mittels einer Patenschaft für schwarzafrikanische Kinder ihr eigenes Seelenheil in der Skala der verlogenen Selbstzufriedenheit auf die nächste Stufe zu hieven. Da unterscheiden sich die Auswahl der zu rettenden Kinder und vor allem der Umfang der individuellen Rettungsmaßnahmen nur marginal von den Verhandlungen mit einem Autoverkäufer. Trotz einer kräftigen Prise Zynismus schießt die Satire jedoch nie über das Ziel hinaus. Im Gegenteil wirkt sie wie ein Spiegel, der zwar verzerrt und vergrößert, aber auch zum Nachdenken anregt und das bei allerbester Unterhaltung und gewohnt exzellenter Leistung des Ensembles. "SpielLust" macht einfach Lust auf mehr und weil das so ist, gibt es am Samstag, 23. April, eine zusätzliche Aufführung im Sonsbecker Kastell.

(erko)
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