Rheinberg Unterricht in der Sprache der Vorfahren

Rheinberg · In der Grundschule Grote Gert lernen gut integrierte russischstämmige Kinder die Sprache der Heimat ihrer Eltern.

 Lehrerin Tatjana Schmitz übt mit Alina, Eva, Mariya und Ileana Russisch.

Lehrerin Tatjana Schmitz übt mit Alina, Eva, Mariya und Ileana Russisch.

Foto: Armin Fischer

Der Weg zur Integration führt, darin sind sich alle Experten einig, nur über die Sprache. Ehrenamtliche Deutschlehrer, Wohlfahrtsverbände und Förderprogramme sollen Zuwanderern ermöglichen, sich möglichst schnell in Deutsch verständigen zu können. Für Kinder von Einwanderern wird Deutsch oftmals direkt zur Muttersprache.

Was sicherlich gut gemeint ist, hat aber auch einen gravierenden Nachteil. "In Rheinberg leben viele Kinder von Eltern, die aus Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken hierhergekommen sind. Sie sprechen ausschließlich Deutsch. Wenn sie ihre Großeltern anrufen, verstehen sie kein Wort", sagt Tatjana Schmitz. Um diesen Kindern zu helfen, bietet die ehemalige Russisch-Lehrerin aus dem ukrainischen Donezk seit einem Jahr unter der Trägerschaft des katholischen Bildungsforums Wesel in der Grundschule Grote Gert den Kurs "Russisch mit Spaß" an.

Dort lernen Rheinberger Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren die Sprache ihrer Eltern. Die achtjährige Alina ist von Anfang an dabei. Sie möchte endlich mitreden können, wenn ihre Tanten, Onkel und Cousinen zu Besuch kommen. Warum sie nicht gleich zweisprachig aufgewachsen ist, erklärt Mutter Oksana Rupp: "Ich hatte panische Angst, dass meine Tochter in der Schule nicht mitkommt, deshalb sprechen wir zu Hause nur Deutsch. Mittlerweile fällt uns das leichter, als uns in Russisch zu unterhalten." Die acht Teilnehmer sind mit Feuer und Flamme dabei. Dass sie in der Grundschule mit Deutsch und Englisch bereits zwei Sprachen lernen müssen, stört sie nicht. "Bei Tatjana macht der Unterricht einfach richtig Spaß. Ich kann mich schon jetzt mit meinen Tanten unterhalten", sagt Ilena.

Tatsächlich stellt Tatjana Schmitz den Spaß am gemeinsamen Lernen in den Mittelpunkt. Die erste Stunde beginnt beispielsweise mit dem "Privatjet". Bunte Luftballone fliegen durchs Klassenzimmer, auf diese Weise lernen die Kinder die Farben. "So bunt sind alle unsere Stunden. Es gibt russische Spiele, Lieder und Tänze und in den Pausen naschen die Kinder russische Gerichte wie Bubliki, Prjaniki oder Sefir", erzählt die Kursleiterin. Eva (8) entwickelt dabei einen besonderen Ehrgeiz. "Mein Vater spricht meistens russisch, ich möchte ihn so gerne verstehen."

Auch Rektorin Dorothee Menges-Wilms ist begeistert von dem Projekt: "Gemäß unseren Leitziel ,An unserer Schule lernen viele Kinder aus verschiedenen Ländern gemeinsam und voneinander' ist dieser Kurs eine echte und lebendige Bereicherung." Dass "Russisch mit Spaß" dem Integrationsgedanken entgegenwirkt, glaubt Tatjana Schmitz nicht: "Die Kinder sprechen ja alle Deutsch, sind somit bereits bestens integriert." Nicht nur was die Konversation betrifft, profitieren die Schüler von den neuen Sprachkenntnissen, weiß Emily: "Meine Oma schickt mir ab und zu alte russische Märchenbücher. Die kann ich jetzt endlich lesen." Gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen Alina und Mariya hat die Zehnjährige sogar schon einen Bericht in der Schülerzeitung verfasst. Künftig möchte Tatjana Schmitz ihren Kurs auch am Amplonius-Gymnasium anbieten. Interessenten melden sich beim Katholischen Bildungsforum Wesel, Telefon: 0281 24581.

(erko)
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