Ungerechtigkeit im Steuergesetz Rheinberger Anwalt legt Verfassungsbeschwerde ein
Rheinberg · Frank-Michael Bindel glaubt, eine Ungerechtigkeit im Steuergesetz erkannt zu haben. Für einen Mandanten hat er deswegen das Bundesverfassungsgericht angerufen. Vor 20 Jahren trat er schon mal in Karlsruhe auf.
Warum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einkommensabhängig nach dem progressiven Steuersatz, Kapitalerträge und Dividenden hingegen pauschal versteuert werden, leuchtet Frank-Michael Bindel nicht recht ein. „Das ist eine Ungerechtigkeit im Steuergesetz“, ist der Rheinberger Rechtsanwalt überzeugt. Und die gehe zu Lasten derer, die als Vermieter nicht nur Kosten und Aufwand haben, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen, während Kapitaleinkommensmillionäre immer mehr scheffelten.
Nach dem Gang durch die Instanzen – in diesem Fall Finanzgerichte und Bundesfinanzhof – hat Bindel deshalb im Juli 2020 für einen Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Hier geht es nicht um ein richterliches Urteil, hier steht die Gesetzgebung auf dem Prüfstand. Auf 28 Seiten hat der Anwalt die bislang geltende Gesetzgebung auseinandergepflückt und als nicht verfassungskonform dargelegt. „50 Stunden habe ich sicher in die Beschwerde investiert“, schätzt der Jurist. Ein Steuerrechtler habe wichtige Unterstützung gegeben.
Rund 6000 Verfassungsbeschwerden werden laut Statistik pro Jahr eingereicht; 95 Prozent davon weist das Bundesverfassungsgericht ohne Begründung zurück. Die Erfolgsaussicht? Eher mager. Sie liegt bei zwei bis 2,5 Prozent. Doch Bindel „rechnet“ anders: Er verbucht es als Erfolg, wenn die Beschwerde angenommen wird. „Dann nämlich wird diese vom Bundesverfassungsgericht an den Finanzminister weitergeleitet, der sich dazu äußern muss“, erläutert Frank-Michael Bindel das Prozedere. Und das sei sein Ziel: Politische Prozesse für mehr Gerechtigkeit anzustoßen.
Der 67-jährige Anwalt beschäftigt die Richter in Karlsruhe nicht zum ersten Mal. Er hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach Verfassungsbeschwerde eingereicht. Zwei wurden zwar abgelehnt, haben aber zu einer Veröffentlichung geführt. Eine hat er mit großem Erfolg „durchgepaukt“. Das war im Jahr 2001. Damals hatte er gerade ein Jahr seine Zulassung als Anwalt. „Es ging um die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Durchsuchungsanordnungen aufgrund von ‚Gefahr im Verzug‘“, erinnert sich Bindel. Als „Feld- und Wiesenanwalt mit kleiner Kanzlei, aber ohne jegliches Renommee“, schmunzelt er, sei er zur mündlichen Verhandlung nach Karlsruhe gefahren. Doch ihm sei der gleiche Respekt und dieselbe Wertschätzung entgegengebracht worden wie beispielsweise bekannten Staranwälten. „Da ich auch damals schon Probleme mit meinem Gehör hatte, haben sich alle bemüht, eine Lösung zu finden, damit ich der Verhandlung folgen kann“, erzählt der Rheinberger Anwalt. Mit einem Kopfhörer der Dolmetscher sei dies möglich gewesen.
Zur Routine werden Verfassungsbeschwerden bei Bindel aber nicht.
„Das ist schon eine große Hausnummer und mit anderen Verfahren nicht zu vergleichen“, so der Anwalt. Bei „normalen“ Gerichten könne man im Zweifelsfall anrufen, beim Verfassungsgericht greift man besser nicht zum Hörer: Seine Mitarbeiterin wollte dort den fristgerechten Eingang und das Aktenzeichen erfragen und wurde an einen wissenschaftlichen Mitarbeiter weitergeleitet. „Der war denkbar ungehalten deswegen“, berichtet Bindel über die Arbeit der Verfassungsrichter und ihres Stabes. „Aus Respekt vor der Stellung und dem Ansehen des Gerichts in der Öffentlichkeit käme ich nie auf die Idee, einen Richter zu kontaktieren.“
Mit einer Entscheidung des höchsten deutschen Verfassungsorgans rechnet Bindel übrigens frühestens im nächsten Jahr. Und was, wenn die Beschwerde abgeschmettert wird? „Da diese sich auf einen Steuerbescheid aus dem Jahr 2016 bezieht, werde ich eine neue ‚Welle‘ für die Folgejahre lostreten, sofern die Mandanten meiner Empfehlung folgen“, so Frank-Michael Bindel. Richtig spannend werde es aber, wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass dieses Steuergesetz rechtswidrig ist und gegen die Verfassung verstößt.