Rheinberg Große Gefühle unter der Kopfweide
Rheinberg-Budberg · Tränenreiche Begegnung: Der US-Amerikaner Courtney Allen aus Atlanta bedankt sich bei drei Töchtern von Franz Baaken. Der Budberger hatte Allens Vater Dean 1944 das Leben gerettet.
Irgendwann verlor Courtney Allen der Fassung. Dem Mann aus Atlanta im US-Bundesstaat Georgia liefen die Tränen übers Gesicht. Die Gefühle hatten ihn übermannt. Vor knapp drei Wochen hatte der 58-Jährige noch keine Ahnung, was seinem Vater am 26. August 1944 widerfahren war, und jetzt stand er exakt an der Stelle in Budberg, an dem Franz Baaken Dean Allen, dem Piloten des damals zwischen Budberg und Eversael abgestürzten B17-Bombers „Hard to get“, das Leben gerettet hat. Eine unglaubliche Geschichte.
Dean Allen, damals 22 Jahre jung, war als letzter mit dem Fallschirm aus der Absturzmaschine abgesprungen. Aus rund 6000 Metern Höhe. Charles Rapp, der 27-jährige Co-Pilot, hatte sich geopfert, steuerte die trudelnde Maschine so lange es ging, damit die Crew abspringen konnte, dann prallte der Bomber in den Acker, Charles Rapp verlor sein Leben.
Dean Allen landete auf dem Feld neben dem Haus der Familie Baaken am Hecklerweg in Budberg. Kaum war er am Boden, wurde er von 40 bis 50 Männern aus der Nachbarschaft bedroht. Mit Knüppeln, Eisenstangen und Mistgabeln wollten die Leute den feindlichen Soldaten umbringen. Franz Baaken, damals 40 Jahre alt und später Budbergs Bürgermeister, stellte sich den Angreifern in den Weg und verhinderte Schlimmeres. Der resolute Mann rettete dem Amerikaner das Leben.
Der Pilot konnte sein Leben leben, gründete eine Familie, wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann und war glücklich und zufrieden, bis er 1980, damals 58 Jahre alt, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Ironie des Schicksals.
Seiner Familie erzählte er nichts von den Vorkommnissen in Budberg. In seinem Nachlass fand sich lediglich der Bericht, dass sich ein Franz Baaken um ihn gekümmert habe. Das war’s. Bis vor ein paar Wochen der Anruf von Doug Rapp kam, dem Enkel des Co-Piloten Charles Rapp. „Doug erzählte mir vom Schicksal seines Großvaters und meines Vaters und der ,Hard to get’, und so kam die Geschichte ins Rollen. Danach habe ich zwei Wochen nur noch Akten über den Absturz gelesen.“ Schnell war für Courtney Allen klar, dass er sich bei den Kindern von Franz Baaken bedanken wollte. Und da stand er nun am Donnerstagmittag vor dem 1868 gebauten Haus, mit Blumen für die drei Schwestern Regina Croonenbrock (80) – sie lebt nach wie vor im Haus am Hecklerweg –, Elisabeth Stratmann (81) und Magdalena Schmitt (72) in Händen. Bevor sich die Gruppe an den gedeckten Tisch setzte, sagte Courtney Allen;: „Ihr Vater ist ein Held für mich. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass er meinem Vater das Leben gerettet hat. Das war eine mutige Tat.“
Mehr als 7000 Kilometer war Allen gereist, um nachvollziehen zu können, was damals passiert ist. „War es genau hier, wo mein Vater gelandet ist? Von wo kamen die Angreifer? Wo ist er hingebracht worden? Leben die Familien der Männer, die ihn umbringen wollten, auch noch hier?“ Allen war kaum zu bremsen, und die Schwestern, drei von acht Baaken-Kindern, erzählten bereitwillig alles, was sie wussten.
Von einer Trauerweide am Feldrand brach sich Courtney Allen einen Zweig ab. Dann wurde er ganz leise. „Wissen Sie“, sagte er den gastfreundlichen Damen. „Ich glaube, als mein Vater damals mit seinem Fallschirm abgesprungen ist, hat Gott einmal kräftig gepustet – damit er genau hier vor Ihrem Vater landen konnte. Das war sein Glück.“ Die ganze Geschichte sei für ihn ein „monumentales Erlebnis“. Courtney Allen: „Das verändert mein Leben.“