Stadtgeschichte Die Herren Pfarrer als Ostereier-Diebe

Rheinberg · 1664 liefen Rheinberger Geistliche nach Eversael, um dort lange Finger zu machen. Der Budberger Pfarrer protestierte.

 Heimatkenner Werner Kehrmann liest seinen Enkelkindern (v.l.) Hannah, Paul und Sophie im Garten am Annaberg die Ostereier-Geschichte aus dem Buch von Florian Speer vor.

Heimatkenner Werner Kehrmann liest seinen Enkelkindern (v.l.) Hannah, Paul und Sophie im Garten am Annaberg die Ostereier-Geschichte aus dem Buch von Florian Speer vor.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Werner Kehrmann kennt die Rheinberger Geschichte. Und er kennt die Bücher darüber. Für die RP hat der Annaberger jetzt nach einer schönen Geschichte für die Ostertage gesucht. Fündig geworden ist er bei Autor Florian Speer, der 1993 das Buch „Geschichte des Kirchenlebens vor 1800“ (Regionalgeschichte zwischen Moers und Rheinberg, Heft 1) im Selbstverlag herausgegeben hat.

„Es geht um einen kuriosen Ostereierdiebstahl, der sich vor 355 Jahren zugetragen hat“, erzählt Werner Kehrmann. „Dabei muss man wissen, dass damals alles, was links der heutigen Rheinberger Straße Richtung Orsoy und Budberg lag – von Rheinberg aus gesehen – katholisch und alles, was rechts lag, evangelisch war.

Ostereier wurden auch in den 1660 Jahren schon versteckt. „Damals“, so Kehrmann, „war man in dem nicht zu Rheinberg gehörenden Dorf Eversael kräftig mit der Suche nach Ostereiern beschäftigt. Heutzutage ist das eine Sache für Kinder, an jeder Ecke des eigenen Gartens bunte Ostereier zu suchen, oder die von einem Vereinswirt versteckten Eier vielleicht auf einer Wiese zu finden.“

1664 hatten die Eversaeler in ihrem Dorf die Eier für die Kinder aus ihrem Dorf versteckt. Aber wer half bei der Suche und steckte sich die gefundenen Eier ein? Kehrmann: „Natürlich die reformierten und katholischen Pfarrer und Küster aus Rheinberg, die Religionsstreitigkeiten waren nämlich nicht vergessen.“ In Sachen „Ostereier-Klau“ waren sich die Vertreter des Klerus allerdings einig und sprachen eine Sprache. Werner Kehrmann: „Jedem das gleiche Ei? Dem war nicht so, einer machte es also dem anderen nach, folglich musste hier der Osterhase als Eierproduzent kräftig ran. Ostereier-Klau sollte sich ja auch lohnen. Die Akteure haben sich damals sogar untereinander mit Schlägen gedroht.“ Stellt sich die Frage: Wieso machen sich zwei Rheinberger, Pfarrer und Küster, auf den etwas weiteren Weg nach Eversael? Nun, der Budberger Pastor hatte sich über die zwei Rheinberger Eierdiebe beschwert. Er meinte, Eversael gehöre zur Budberger Pfarre, sei also sein Revier, und folglich seien es seine Ostereier und nicht die der Rheinberger. Deswegen handele es sich um Diebstahl. Kehrmann: „Es war ein religiöser Zuständigkeits­streit nach dem Motto: meine Wiese, meine Ostereier, deine Wiese, deine Ostereier. Die Wiese war die gleiche, nur der eine sah sie reformiert, der andere katholisch.“

Die Problematik um katholische und reformierte „Eier“ in Budberg füllt ganze Bücher, da hat sich der kleine Pastor sicherlich nicht ausgekannt, oder? Denn der Budberger Pastor war nur neidisch auf die zwei Ostereier-Diebe, sein Budberger Kirchengehalt war sehr mickrig, und auch er wollte deswegen Ostereier sammeln. Auf der politischen Seite war der Fall klar. Eversael war für Rheinberg Ausland, es gehörte zum Herzogtum Kleve, und Rheinberg war kurkölnisches Gebiet, sodass es sich ebenfalls um eine ungerechtfertigte Entwendung von Ostereiern handelte – und das zum Nachteil der Eversaeler Kinder.

Wie genau die Posse geklärt wurde? Werner Kehrmann: „Genau weiß man das leider nicht. Irgendwie werden sich die Herren untereinander geeinigt haben.“

(up)
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